„Legend of Wacken“: Der Bulle muss brennen!
Der Heavy Metal hat seine Serie: Auf RTL+ startet „Legend of Wacken“ von Regisseur Lars Jessen mit Charly Hübner und Aurel Manthei in den Hauptrollen von Holger Hübner und Thomas Jensen.
„Legend of Wacken“: Kühe umschubsen war gestern
Gut drei Wochen vor dem Start des „Wacken Open Air“-Festivals startet beim Streaminganbieter RTL+ die Serie „Legend of Wacken“ – eine Geschichte über das legendäre Heavy-Metal-Festival von seiner Genese an – in der tiefen norddeutschen Provinz, wo man vor Langeweile nachts auf der Weide Kühe umschubst. Diese Legende vom Küheumschubsen hat sich seit Detlev Bucks Film „Karniggels“ bis heute gehalten, obwohl sie längst widerlegt ist. Buck spielt übrigens auch in „Legend of Wacken“ mit.
„Freibad. Mädels. Saufen. Mit?“ Freizeitgestaltung sah, wenn man der Serie „Legend of Wacken“ glauben darf, Anfang der 1990er in Schleswig-Holstein genau so aus. Die Punks in Wacken saßen hinter Waschbetonkübeln am Straßenrand und träumten von Hamburg, während in der eigenen Gemeinde in der Kneipe der Schlager „Griechischer Wein“ den Höhepunkt des Abends bildete bei einer Runde mit Klarem, der aufs Haus ging. Spezialist für Norddeutschland ist Regisseur Lars Jessen („Mittagsstunde“, „Check Check“), er hat gemeinsam mit Regisseur Jonas Grosch auch die Serie „Legend of Wacken“ gedreht. Wo aber Lars Jessen ist, da ist auch Charly Hübner („Mittagsstunde“, Ensemblemitglied am Schauspielhaus Hamburg, „Coolhaze“) nicht weit. Wie praktisch: Charly Hübner spielt den Wacken-Macher Holger Hübner im heutigen Alter, während Sammy Scheuritzel („Dark“) den jungen Holger Hübner gibt.
Die Handlung der Serie „Legend of Wacken“ beginnt damit, dass beim Eröffnungskonzert des Festivals im Jahr 2022 von Judas Priest der Bulle nicht brennt (die Fans wissen genau, was das bedeutet). Hübner (Hübner) rennt nach hinten und greift ohne Schutz an die Hochspannungsleitung. Folge: Koma. Sein Festivalgründungspartner Thomas Jensen (alt: Aurel Manthei) lässt sofort das Festival stoppen und eilt zu Holger Hübner ins Krankenhaus. Was sich in diesen trockenen Worten als Drama lesen lässt, ist jedoch genauso begründet Comedy, man könnte also einen Kompromiss eingehen und die Serie guten Gewissens dem Genre Dramedy zuordnen. Vor allem der junge Thomas Jensen (Sebastian Doppelbauer, „Biohackers“) bildet gemeinsam mit Scheuritzel als dem jungen Hübner ein unschlagbares Duo in Wortknappheit und komischem Auftritt. In der Gründungsphase des Wacken-Festivals – Thomas Jensen möchte endlich eine Auftrittsmöglichkeit seiner Metalband Skyline im Heimatdorf, Holger Hübner ist ihr Manager – macht ihnen einerseits Kneipenbesitzer Karl-Heinz (Marc Hosemann, „Lauchhammer – Tod in der Lausitz“, „Der Palast“) das Leben schwer, andererseits dürfen sie sich nicht von Bauer Trede (Regisseur und Schauspieler Detlev Buck) übers Ohr hauen lassen, der für jede gefundene Kippe auf seinem Acker zehn Mark verlangt. Und dann ist da noch die Heimleiterin Wiltrud (Katharina Wackernagel): Sie glaubt den fundamentalistischen US-Predigern, die Metal als des Teufels Werk ansehen, der die Jungend verführen will.
Die Tristesse der Provinz bekämpfen
Man merkt „Legend of Wacken“ schon an, dass die Macher des Festivals Holger Hübner und Thomas Jensen die Serie mit produziert haben. Zwar steht nach drei gesichteten Folgen ein noch immer unausgesprochenes latentes Zerwürfnis der Freunde wie ein weißer Elefant im Raum. Aber im Grunde lieben sich die beiden trotz vieler Verletzungen, die sie sich im Lauf der Jahre gegenseitig zufügten. Während die 2022er-Handlung etwas träge daherkommt – Hübner liegt immer noch im Koma, gerade mal der wiederkehrende Versuch des toten Lemmy Kilmister (Andy Murray), ihn mit ins Totenreich zu nehmen, sorgt für skurrile Abwechslung –, sind die Gründerjahre des Festivals von viel Chaos geprägt, sehr unterhaltsam und Steilvorlagen für die Schauspieler. Charly Hübner hat den Vorteil, in beiden Zeiten präsent sein zu dürfen: Im Koma liegend, unternimmt sein Geist eine Zeitreise zurück, was dazu führt, dass er vielen Situationen mit wehmütigem Blick beiwohnt und manchmal hilflos-linkisch eingreifen möchte, was aber natürlich nicht geht, wir sind ja nicht in einem „Terminator“-Film.
„Legend of Wacken“ ist nicht nur für Metalfans eine kurzweilige Serie, sondern für alle, die ein Faible haben für den seit Jahren favorisierten Blick in frühere Jahrzehnte. Von den Frisuren über die sparsame Sprache – „Hä?!“, „Wa?!“ – bis hin zu den damals ganz heftig ausgetragenen Streiterein, wer denn nun die coolere Musik spielt: Der Sechsteiler schaut genau hin, und die Regisseure Lars Jessen und Jonas Grosch montieren alles zu einem kurzweiligen Porträt von Figuren und Landstrich.