„Love sucks“: Romeo & Julia und blutige Orgien
Eine unmögliche Liebesgeschichte und viel mehr: Wenn eine Vampirdynastie im Kapitalismus ihr Geld verdient und tödliche Orgien feiert, kann das blutig enden. Aber auch desaströs. ZDFneo und weit vorab die ZDF-Mediathek zeigen die Serie „Love sucks“.
Ein melancholischer Romeo und eine schlagkräftige Julia bestimmen die Vampirserie „Love sucks“, die ihre Geschichte zunächst emotional stimmig enfaltet und dann immer kitschiger, inkonsistenter und mit hanebüchenen Twists beim Zuschauen in die Ratlosigkeit fortführt. Die Serie kann jetzt in der ZDF-Mediathek gestreamt werden und läuft an Halloween bei ZDFneo.
Ben von Greifenstein ist seit Jahrhunderten ein Vampir und leidet ebenso lange an seiner Melancholie, vor allem aber daran, ein Vampir zu sein. Man kann sagen, dass er von Beginn seines Vampirdaseins an einer Identitätskrise leidet. Oder, um es mit modernem Sprech auszudrücken. Der Vampir Ben hat ein schlechtes Gewissen wegen seiner Privilegien nicht nur als Vampir, sondern auch als Adeliger, denn seine Familie hat es im Lauf der Jahrhunderte in Frankfurt zu Reichtum und großen Konzernen gebracht, von denen – bester Gag der Serie – eine Blutbank nur eine kleine Sparte des Imperiums ist. Damian Hardung spielt diesen latent depressiven Vampir. Hardung hat in den letzten Jahren international Berühmtheit erlangt, seine Rolle in der Schmonzettenserie „Maxton Hall“ war sein endgültiger Durchbruch, doch auch vorher schon war Hardung bei Streaminganbietern und im Pay-TV sehr aktiv: „Unsere wunderbaren Jahre“, „Pauline“, „Gestern waren wir noch Kinder“, „How to sell Drugs online (fast)“, „Der Name der Rose“ sind ein paar Beispiele dafür. Bens Julia heißt Zelda Zoris, die von der Nachwuchsschauspielerin Havana Joy gerspielt wird. Zelda gehört zu einer Zirkusfamilie, die mit Preisboxen ihr Geld verdient – ein Geschäftsmodell, das es längst nicht mehr gibt, aber für die retromäßig Serie reanimiert wurde. Beide verlieben sich ineinander, als Ben gemeinsam mit seinem Bruder Theo (Rick Okon, „Das Boot“, „Niemand ist bei den Kälbern“) auf Theos Betreiben auf den Rummel gehen. Zelda schickt Ben im Ring beim Kampf gleich zwei Mal auf den Boden, und schon ist es um den Vampir geschehen: Er verliebt sich in die taffe junge Frau.
„Love sucks“: Hanebüchener Plot
Was folgt, ist klassisches Konfliktdrama, hier aber an den Haaren herbeigezogen: Zelda tötet während einer eskalierenden Orgie in der Villa der Blutsauger eine Vampirin und kann fliehen, der Vampir Theo schwört Rache, die Mutter Katharina (Anne Ratte-Polle, „Bad Director, „Funeral for a Dog“, Shadowplay – Schatten der Mörder“) kommt von einer Geschäftsreise zurück und ruft ihre ungezogenen Söhne zur Ordnung – ohne Erfolg, vor allem der missratene Theo wird die Serie fast im Alleingang mit Leichen pflastern und die Familie in Gefahr bringen. Gleichzeitig entpuppt sich Zeldas Familie als eine Geheimtruppe, die Vampiren überall und undercover angespitzte Holzpflöcke in die Herzen rammt. Entsprechend reagieren ihr Bruder Branko (Dennis Scheuermann, „Drift – Partners in Crime“) und ihr Vater Ilja (Stipe Erceg) auf die Information, dass Zelda einen Vampir liebt. Doch wer hat die Geschichte so aus dem Ruder laufen lassen? Vorneweg Chefautor Marc O. Seng („Dark“, „Unbroken“, „Höllgrund“). Ihm und seinem Team sind nach drei durchaus sehenswerten Folgen keine Ideen mehr gekommen, die die Serie spannend und gleichzeitig rund gemacht hätten. Dass Regisseur Andreas Prochaska („Das Boot“, „Alex Rider“, „Im Netz der Camorra“) die ersten vier Folgen inszenieren durfte, war sein Glück: Das Material seiner vier Folgen war eindeutig besser als das der Regisseurin Lea Becker („Höllgrund“, „Flügel aus Beton“). Dennoch wirken die Charaktere unter Beckers Regie hölzener und oberflächlicher als zu Beginn der Serie. Erst ganz zum Ende findet sie Melancholie Bens aus den ersten Folgen zurück in die Handlung, die sich vorher schon positiv auf die ganze Serie auswirkte.
Ben und Zelda: Heirat im queeren Klub
Das Hanebüchendste an der Serie „Love sucks“ überhaupt aber ist ihre Erzählung, dass Vampire von den „echten“ Menschen ausgegrenzt und damit überhaupt erst zu Freaks gemacht werden. In einer Folge heiraten Zelda und Ben in einem Klub, indem sie sich von einem Kapitän trauen lassen. Der ist Schwarz und queer, was ihn zum Verbündeten dieses „Romeo und Julia“-Paares macht – die beiden sehen sich in ihrer Ausgegrenztheit als seelenverwandt mit der queeren Comunity. Diese Folge der Serie aber ist so künstlich in die Handlung eingebaut, dass man die Absicht dahinter in ihrer Plumpheit deutlich wahrnimmt. Und dann war’s das auch schon, denn: Die beiden werden bald von der bitteren Realität eingeholt: Theo setzt seine korrupten Verbindungen zur Frankfurter Polizei ein, um Zeldas Familie den Garaus zu machen, und nicht viel später treffen die von Greifensteins auf der einen und die Familie Zoris auf der anderen Seite zu einem tödlichen Showdown aufeinander.
Eingebettet ist diese Eskalation der Ereignisse in gleich zwei Rahmenhandlungen, bei der Famlie Zoris liegt sie Jahre zurück, Jahrunderte bei den von Greifensteins: Wie wurden die Famlien, was sie sind? Der Versuch, die Vampirjagd über diesen Weg moralisch ähnlich zu diskreditieren wie das wilde Agieren der Vampire selbst, ist überdeutlich. Dass man die Erzählung einer Vampirgeschichte auf diesem Weg anschlussfähig machen will an die Gegenwart, ist angesichts der erfolgreichen internationalen Vampirserien der letzten Jahrzehnte nichts Neues. Nur: Hier wirkt alles aufgesetzt und behauptet und funktioniert so absolut nicht. Was bleibt, ist ein schöner Beginn mit überraschenden und glaubwürigen Wendungen.