Maria Peters: Die Dirigentin
Maria Peters zeichnet in „Die Dirigentin“ die schwierige Karriere von Antonia Brico nach. Im Interview verrät Peters, warum das auch nach 100 Jahren leider noch nötig ist.
Maria, du hast das Leben von Antonia Brico nicht nur verfilmt und dazu das Drehbuch geschrieben, du hast über sie auch den gleichnamigen Roman „Die Dirigentin“ verfasst. Was fasziniert dich an ihr, und wie bist du auf sie gestoßen?
Maria Peters: Ich habe die US-amerikanische Dokumentation „Antonia: A Portrait of a Woman“ gesehen und war wie vom Blitz getroffen. Ihr Leben hat mich schon da nachhaltig beeindruckt. Antonia hat in den USA gelebt und gearbeitet, und sie hatte Wurzeln in den Niederlanden, doch im Rest der Welt weiß kaum jemand von ihr.
Bietet dir die Romanform etwas, was der Film nicht leisten kann?
Maria Peters: Das hoffe ich doch. (lacht) Ein großer Unterschied zwischen Buch und Film ist, dass ich im Roman die innere Perspektive meiner Figuren viel detaillierter abbilden kann. Der Roman rückt wesentlich näher an Antonia und die anderen Figuren Frank und Robin heran. Da ich mein Budget nicht vor einer Produktionsfirma rechtfertigen musste, hatte ich auch viel mehr Freiheiten. So gibt es im Buch etwa mehr Szenen mit Orchestern. (amüsiert) Die müssen im Buch ja nicht alle bezahlt werden.
Also war auch der Prozess des Schreibens beim Roman ein anderer als für das Drehbuch?
Maria Peters: Auf jeden Fall. Drehbücher schreibe ich sehr schnörkellos, für den Roman habe ich mehr mit der Sprache gespielt. Außerdem war der Umgang mit den Lektoren und Beratern ein ganz anderer als bei den Verhandlungen zum Film. Es gab mehr Geduld, und ich habe viel Freiraum und konstruktives Feedback erhalten – das alles hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht.
Warum erzählst du Antonias Geschichte, die in den 20er- und 30er-Jahren ihren Anfang nimmt, als historisches Drama nach, anstatt sie ins Jetzt zu versetzen? Auch heute kämpfen ja viele Frauen in der Klassik um Anerkennung.
Maria Peters: Ich habe tatsächlich sehr mit der Entscheidung gerungen, welchen Teil von Antonias Geschichte ich erzählen möchte. Sie hat so ein außergewöhnliches Leben geführt. Schließlich habe ich mich für die Zeit entschieden, in der sie den Entschluss gefasst hat, Dirigentin zu werden – obwohl eine Frau in dieser Rolle zu ihrer Zeit noch unerhörter war als heute. Die Frage, ob ich den Roman in der heutigen Zeit erzählen möchte, habe ich mir allerdings nie gestellt.
Antonia zieht Inspiration aus ihren Helden, Albert Schweitzer oder Beethoven etwa. Hast du das Leben deiner Protagonistin so detailgetreu erzählt, damit andere von ihr inspiriert werden können?
Maria Peters: Ja. Ich hatte das große Glück, sehr nah mit dem Journalisten und Schriftsteller Rex Brico zusammenarbeiten zu können, der entfernt mit Antonia verwandt ist. Natürlich habe ich ihre Geschichte um einen fiktiven Teil erweitert, doch auch der ist von den Tatsachen inspiriert: Frank etwa, in den sich Antonia verliebt und mit dem sie eine Affäre hat, basiert auf der Unterstützung, die sie von Menschen aus der Oberschicht erhalten hat – und darauf, dass sie ihrem Traum die Liebe geopfert und nie geheiratet oder Kinder gekriegt hat.
Auch im Hintergrund bleibst du sehr historisch und erzählst aus der Sicht des Veteranen Frank vom Ersten Weltkrieg und der aufziehenden Großen Depression.
Maria Peters: Das ist noch ein Unterschied zum Film: Ich habe meinen Figuren eine Backstory geben müssen. Die Tatsache, dass die Soldaten im Ersten Weltkrieg so lange in den Schützengräben haben ausharren müssen, und wie festgefahren dieser Krieg letztlich war … Das muss den Alltag von Menschen wie Frank geprägt haben. Die Figuren Robin, die als Frau geboren wurde aber als Mann lebt, und der Sänger Dennis, der in Travestie-Shows als Miss Denise performt, sind ähnlich entstanden: Zum einen hat die echte Antonia in Jazzclubs gearbeitet, und ich habe mich gefragt, wie diese Kultur damals ausgesehen hat. Zum anderen aber haben auch die Wirtschaft und der Krieg eine Rolle gespielt. Viele Veteranen sind nach dem Krieg zurückgekehrt und haben ihr Glück in kreativen Branchen gesucht. Jemand wie Robin konnte ihre Karriere nur als Mann verfolgen.