Zum Inhalt springen

„Väter“ von Paul Brodowsky

Buchcover „Väter“ von Paul Brodowsky

Wenn Paul Brodowsky in „Väter“ den Spuren der NS-Erziehung in seiner Familie nachspürt, dann ist das so erhellend wie bedrückend.

„Väter“ von Paul Brodowsky ist unsere Buchempfehlung der Woche

Wie Vater sein, wenn der eigene Vater immer distanziert, kalt, angsteinflößend war? Für Paul Brodowsky beginnt mit dieser Ausgangsfrage eine Reise in die Vergangenheit. Von Anfang an verwischt er dabei die Grenzen zwischen Fiktion und Realität: Sein Ich-Erzähler heißt ebenfalls Paul Brodowsky, hat einst die Zeitschrift BELLA triste gegründet und schreibt nun an seinem ersten Roman, aber eigentlich an seiner Autobiografie. Sein Vater, Jahrgang 1933, ist im NS-Ethos erzogen worden und spricht endlich darüber, als sein erwachsener Sohn ihn explizit danach fragt.

Alte Narben werden sichtbar: der harte Alltag auf dem Nazi-Internat, der Großonkel, nach dem Paul benannt ist und der zugleich Parteimitglied war, die Flucht aus dem heutigen Polen. Der Sohn, selbst Vater zweier kleiner Kinder, erinnert sich seinerseits an eine Kindheit voller Furcht vor der väterlichen Wut – und versucht nicht immer erfolgreich, es mit dem eigenen Nachwuchs besser zu machen.

Wenn Paul Brodowsky in „Väter“ die Spuren aufdeckt, die die NS-Erziehung bis heute in seiner Familie hinterlassen hat, dann ist das so erhellend wie bedrückend

Ein eindringliches Thema, in dem sich zugleich die Erbsünden der Bundesrepublik spiegeln – nur selten lassen Brodowskys Detailverliebtheit, seine übergenaue Naturschilderungen diesen roten Faden aus dem Blick geraten. Doch seine Aufdeckung der Spuren, die die NS-Erziehung bis heute in seiner Familie – und in zahllosen anderen – hinterlässt, ist so erhellend wie bedrückend.

Mit „Väter“ hat es Paul Brodowsky auf unsere Liste der besten Bücher im Mai 2023 geschafft.

Beitrag teilen: