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„Die Bäume“ von Percival Everett

Buchcover „Die Bäume“ von Percival Everett

In „Die Bäume“ dreht Percival Everett eine Rachegeschichte vergnüglich ins Okkulte – dabei geht es um todernste reale Verbrechen …

„Die Bäume“ von Percival Everett ist unser Krimitipp der Woche.

Emmett Till sinnt immer noch nach Rache, seitdem man ihn 1955 gelyncht hat. So ermordet er die Nachkommen der damaligen Täter, und seine eigene Leiche taucht neben den Gerichteten auf – nur um anschließend bis zum nächsten Mord wieder zu verschwinden. Da stoßen Deputy Delroy Digby und sein Buddy Braden Brady in Money, Mississippi schon beim Mord an Junior Junior an die Grenzen ihrer sowieso schon arg limitierten Fähigkeiten. Vorab gut zu wissen: Der Ausgangspunkt für diese abgedrehte und amüsante Krimi-Groteske ist so real wie furchtbar. Den Lynchmord gab es wirklich. Der schwarze Jugendliche Emmett Till wurde damals von Carolyn Bryant bezichtigt, sich ihr gegenüber unsittlich verhalten zu haben. Deren Mann Roy und dessen Halbbruder J. W. Milan misshandeln ihn daraufhin so schwer, dass der 14-jährige qualvoll stirbt.

Nun nimmt der US-amerikanische Autor Percival Everett diesen Mord exemplarisch für die vielen ungesühnten rassistischen Gräueltaten, die nicht nur in den Südstaaten passieren. Everett ersinnt eine ungewöhnliche Rachegeschichte, die wohl nur er so souverän mit Horror-, Klamauk- und Krimielementen zusammenhalten kann. Die Übersetzung rettet den staubtrockenen Humor und das Pidgin-Englisch ins Deutsche, doch vielleicht zünden hierzulande manche Anspielungen auf die US-amerikanische Historie nicht.

„Die Bäume“ ist eine ungewöhnliche Rachegeschichte, die wohl nur Percival Everett so souverän mit Horror-, Klamauk- und Krimielementen zusammenhalten kann

Percival Everett zeigt die US-amerikanischen Verhältnisse so, wie sie in der öffentlichen Wahrnehmung nicht stattfinden: Die Weißen sind minderbemittelt, die Schwarzen smart und erfolgreich. Die Redneck-Sippe, die im Vorort von Money nicht so viel Money hat und in ihren Schuhkarton-Häusern wohnt, ist dabei nicht einmal überzeichnet. So einer wie den berufsmäßig arbeitslosen Wheat mit seinem schiefen Grinsen findet sich mit Sicherheit: In seiner beschränkten Welt ist Rippchenessen das Größte. Da die weißen Cops mit der Aufklärung der Mordserie nun ganz offensichtlich überfordert sind, müssen die schwarzen Detectives Ed Morgan und Jim Davis ran. Und auch das FBI mit Special Agent Herberta Hind schaltet sich ein. Denn als Dozent Thruff zusammen mit der 105-jährigen Mama Z die Namen aller Lynchmord-Opfer auflistet – Everett lässt ganze Kapitel nur aus diesen wirklichen Namen und den Tatorten bestehen – ahnt jeder, dass eine ganze Armee Rache üben könnte …

„Die Bäume“ von Percival Everett ist unser Krimitipp der Woche. Zuletzt haben wir an dieser Stelle „Die Klinik“ von Hubertus Borck vorgestellt.

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