„Als wir schön waren“ von Ron Leshem
Erinnerungen eines Scharfschützen: Mit „Als wir schön waren“ taucht Ron Leshem ganz tief in den israelisch-palästinensischen Konflikt ein.
„Als wir schön waren“ von Ron Leshem ist unsere Buchempfehlung der Woche.
Als der Israeli Daniel in Bolivien die Hirnforscherin Nora kennenlernt, hat er seine Vergangenheit weitgehend verdrängt. Doch als er Details über ihre Forschung zu einem digitalen Menschheitsgedächtnis erfährt, holt er Kindheit und Jugend bis hin zum Militärdienst aus den tiefsten Winkeln seines Gedächtnisses zurück ins Bewusstsein.
Intensiv und in bildreicher Sprache eingefangen ist Daniels Vergangenheit in Israel: Sie beginnt mit der unbekümmerten Kindheit in der Siedlung Gusch Katif mitten im Gazastreifen und reicht von der ersten Intifada Anfang der 1990er über die zweite Intifada Anfang der 2000er bis hin zur Räumung aller jüdischen Siedlungen im Gazastreifen im Jahr 2005. Daniels Leben in dieser Zeit ist geprägt von Magouri, der dem am Boden zerstörten Freund Halt gibt, nachdem ein palästinensischer Attentäter seine Mutter ermordet hat. Ihre gemeinsame Zeit am Strand von Gaza, ihr ewiger Sommer auf dem Surfbrett und ihre Reisen durch Israel, das Eintauchen in die Vergangenheit des Judentums in der Region bis runter nach Ägypten gemeinsam mit Magouris Großmutter: Das alles ist das lebendige Zentrum des Romans.
Daniel ist einer der besten Scharfschützen der Armee, der sich für jeden eliminierten Palästinenser ein X auf den Unterarm tätowieren lässt.
Doch Zerwürfnis und Verrat sind nicht weit. Der auf Versöhnung bedachte Magouri sieht in jedem Palästinenser den Menschen. Er mag nicht kämpfen und desertiert, als er den Wehrdienst leisten soll. Der traumatisierte Daniel hingegen wird einer der besten Scharfschützen der Armee, der sich für jeden eliminierten Palästinenser ein X auf den Unterarm tätowieren lässt.
„Als wir schön waren“ von Ron Leshem ist weit mehr als nur ein einfühlsamer Roman über die politische und religiöse Zerrissenheit der israelischen Gesellschaft.
Ron Leshems „Als wir schön waren“ ist nicht nur ein einfühlsamer Roman über die politische und religiöse Zerrissenheit der israelischen Gesellschaft, sondern auch über die Historie jüdischen Lebens in der Region lange vor der Gründung Israels. Katalysator für das Erinnern ist die spätere Handlung in Südamerika, die als solche für den Aufbau des Romans wichtig ist, aber von einem schwachen Science-Fiction-Plot dominiert wird – viel zu bruchstückhaft geschrieben und von oberflächlich gezeichneten Charakteren bevölkert.
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