Roskilde 2022: Tag der Frauen
Unser täglicher Bericht über das Roskilde 2022 geht weiter. Am Donnerstag dominierten Frauen wie Megan Thee Stallion, Dua Lipa oder Phoebe Bridgers.
Was geht auf dem Roskilde 2022? Wir berichten täglich vom größten Festival Nordeuropas. Gestern haben wir den Tag des Auftakts zusammengefasst, mit Headlinern wie Drew Sycamore oder Post Malone. Donnerstag, der 20. Juni, war in Sachen sonniges Wetter wie eine Kopie des Vortags. Doch zugleich war der zweite Festivaltag anders – vor allem mehr: mehr Leute, mehr Stars, mehr Stimmung. Fun Fact: Wusstet ihr, dass das Roskilde Festival, wenn es eine Stadt wäre, die viertgrößte Stadt in Dänemark wäre? Der Donnerstag war außerdem ein Tag der Frauen, die das Line-up an diesem Tag bestimmt haben.
Orange Stage: Von Kacey Musgraves bis Megan Thee Stallion
Auf der zentralen Orange Stage sind gestern vier Headliner aufgetreten, drei davon waren Frauen. Den Anfang hat um 17 Uhr Country-Star Kacey Musgraves gemacht. Ihre Show hat vor allem gute Vibes verbreitet, viele Menschen setzten sich in der Nachmittagssonne auf den Rasen, um ihr zuzuhören. Das war bei der zweiten Show schon schwieriger: Um 19.30 war Megan Thee Stallion an der Reihe. Und die hat erwartungsgemäß eine bombastische Show abgeliefert. Background-Tänzer:innen in schwarzem Leder unterstützten sie immer wieder, aber oft genug war die Rapperin allein auf der Bühne – und hat bewiesen, dass sie auch solo jede Menge Energie im Publikum freisetzen konnte. Jeder ihrer sex-positiven Songs endete mit einem Donnerschlag. Natürlich war auch der Welthit „WAP“ Teil des Programms.
Nur eine kleine Enttäuschung für Fans war dabei: Megan hat zwar ihren Hit „Sweetest Pie“ gespielt, allerdings, ohne dazu Dua Lipa auf die Bühne zu holen – und das, obwohl der britische Popstar nur ein paar Stunden später die Orange Stage besetzt hat. Um 22.15 war es soweit, die Menge an Fans war erwartungsgemäß riesig. Das ist auch Dua Lipa selbst nicht entgangen: „Ich glaube, ich habe noch nie so viele Leute auf einmal gesehen“, sagte sie während ihrer Show sichtlich ergriffen. 2018 war sie bereits einmal beim Roskilde zu Gast, schon damals als Star – allerdings nicht in dem Ausmaß von heute.
Wären mit The Blaze am Ende nicht doch noch zwei Männer an der Reihe gewesen, die Orange Stage hätte komplett den Frauen gehört. So haben die beiden französischen DJs mit ihrem melodischen House den Tag abgeschlossen. Nach dem Hype der Vorstunden eine gute Art zum runterkommen – und zugleich extrem tanzbar.
Roskilde 2022: Rina Sawayama erweist sich als Glücksfall
Aber auch abseits der Hauptbühne gab es eine Reihe hochkarätiger Shows, und auch hier dominierten die Frauen. TLC spielten eine Show auf der Arena Stage – ihre erste überhaupt auf dänischem Boden. Die Waliserin Cate Le Bon und ihre Band lieferten ein fluide Konzertim Pavilion ab, bei der ihre Musiker:innen wild die Instrumente tauschten. Für ihr neuestes Album „Pompeii“ hat Le Bon sich vom jungen Bowie inspirieren lassen – folgerichtig stand ein Saxofon im Zentrum.
Besondere Erwähnung verdient Rina Sawayama. Die war nämlich eigentlich gar nicht eingeplant: Sie wurde kurzfristig als Ersatz für Jake Harlow eingeladen. Der Rapper hatte am 20. Juni seine Show aus Termingründen abgesagt. Da waren die meisten Tickets schon verkauft. Trotzdem war es, als wären viele Fans extra für Rina Sawayama gekommen. Die Liebe, die der Britin während ihrer Show entgegenschlug, war deutlich fühlbar, wie ihr auch selbst aufgefallen ist. Mittendrin hat sie eine Mütze aus dem Publikum entgegengenommen und zunächst versucht, sie für den Rest des Konzerts aufzubehalten, musste sie dann aber wegen ihres Mikros wieder abnehmen. Und der Hype war gerechtfertigt: Mit harter E-Gitarre, tanzbaren Beats und eingängigen Melodien war es eines der mitreißendsten Konzerte des Tages. Ob Jack Harlow das hätte toppen können? Wir sind skeptisch.
Moor Mother im Doppelpack, Phoebe Bridgers ruiniert Stimmbänder
Eine Künstlerin war am Donnerstag gleich zweimal vertreten: die Rapperin und Dichterin Moor Mother. Zunächst trat sie mit ihrer Band Irreversible Entanglements auf. Mit Drums, Trompete, Saxofon, Kontrabass und Keys lieferte die Gruppe eine Free-Jazz-Explosion ab. Wie immer bei Moor Mother war es ein explizit politisches Konzert, bei dem sie mit ihren Texten für Empowerment und eine bessere Zukunft eintrat. Später hatte sie dann noch eine Soloshow, bei der statt Jazz HipHop im Vordergrund stand – wir haben erst kürzlich ihr neuestes Album besprochen.
Phoebe Bridgers war zwar nicht auf der Orange Stage, doch sollte sie tatsächlich weniger Fans haben als etwa Dua Lipa – was noch zu beweisen wäre –, hat sie auf jeden Fall die loyalsten. Seit Jahren ist die US-Amerikanerin einer der größten Lieblinge der Indieszene, mit der Kraft, in ihrem Publikum die stärksten Emotionen heraufzubeschwören. Entsprechend drängten sich die Leute zu ihrem Konzert um die Avalon Stage, es wurde mitgesungen, gelacht und geweint. Wie immer kamen Bridgers und ihre Band zu „Down with the Sickness“ von Disturbed auf die Bühne – ein Gag, denn ihr Folkpop geht klanglich in eine andere Richtung.
Aber nicht komplett, denn ebenfalls wie immer hat Phoebe Bridgers die Show mit „I know the End“ abgeschlossen, dem Closer ihres letzten Albums „Punisher“. Der Song endet mit einer wahren Schrei-Orgie. „Wenn ihr mögt, empfehle ich euch, am Ende eure Stimmen zu ruinieren“, sagte die Künstlerin zu Einleitung. „Das ist wirklich kathartisch“. Das haben sich die Fans nicht zweimal sagen lassen.
Politik, Abtreibung und Pride
Wie schon am Mittwoch spielte weiterhin die Politik eine Rolle beim Roskilde 2022. Mehrere Künstler:innen positionierten sich zur Abtreibungsdebatte in den USA: Phoebe Bridgers wiederholte ihre Message „Fuck the Supreme Court“ vom Glastonbury Festival, Megan Thee Stallion brachte das Publikum dazu, „My body, my choice“ zu skandieren. Zugleich war der 30. Juni auch der letzte Tag des Pride Months – eine Tatsache, auf die sowohl Phoebe Bridgers als auch Rina Sawayama während ihrer Sets Bezug nahmen. Die Besorgnis über die Entwicklungen in den USA konnte das zwar nicht komplett ausräumen – trotzdem sendet die offensichtlich herrschende Einigkeit im Publikum ein starkes Signal.
Heute, am Freitag, den 1. Juli, steht der dritte Tag des Festivals an. Unter anderem dabei sind Tyler, The Creator, The Smile und Little Simz. Hier könnt ihr alles darüber lesen.