„Goodbye“ von Sam Vance-Law: Arschtritte, die Herzen brechen
Sam Vance-Law veröffentlicht mit „Goodbye“ eines der besten Trennungsalben aller Zeiten – weil er an einer entscheidenden Stelle lügt.
Sam Vance-Law, mit „Goodbye“ veröffentlichst du ein Album, auf dem du monothematisch das Ende deiner Beziehung verhandelst. Hat dir die musikalische Aufarbeitung in deinem Schmerz geholfen?
Sam Vance-Law: Jein. Es ist schon ein kathartischer Prozess, wenn du gewisse Sachen rauslassen und schreckliche Dinge in etwas Schönklingendes verwandeln kannst. Problematisch wird es aber, wenn es dir wieder besser geht und du immer noch an der Platte arbeitest. Durch die Pandemie haben sich viele Dinge verzögert, und so musste ich an einen unangenehmen Ort zurück, den ich eigentlich schon verlassen hatte.
Dann hast du es am Ende bereut?
Vance-Law: Ich hatte damals nur zwei Optionen: darüber schreiben oder ein paar Jahre keine Musik mehr machen. Heute bin ich extrem froh, dass ich mich für dieses Album entschieden habe. Aber egal, wie viele Trennungen da jetzt noch kommen – es wird keine weitere Platte dieser Art geben.
So düster und verzweifelt „Goodbye“ auch ist, blitzt an manchen Stellen dennoch Humor auf. Das ist schon deine Superpower, um durch schlimme Zeiten zu kommen, oder?
Vance-Law: Es gibt Tage, an denen ist man für nichts anderes mehr empfänglich als für das eigene Leid. Aber oft habe ich selbst in meinen schlechtesten Momenten diesen kleinen Sam auf meiner Schulter, der einfach nur lacht. Unmittelbar nachdem sich mein Freund getrennt hat, bin ich etwa in den Biomarkt und habe ganz viel Obst und Gemüse gekauft. Ich wollte den Kühlschrank voller schöner Dinge und die Option, die Wohnung für längere Zeit nicht verlassen zu müssen. Aber dann hat sich herausgestellt, dass ich im Trennungsschmerz gar nicht essen kann. Ich wollte Alkohol, aber immer, wenn ich Kühlschrank aufgemacht habe, war da nur all dieses Zeug, das nach und nach vergammelt ist. Es war schrecklich, doch der kleine Sam hat gelacht.
Diese Art von Situationskomik kennt man auch von deinem Debüt „Homotopia“. Auf „Goodbye“ versteckt sich der kleine Sam aber eher zwischen den Zeilen.
Vance-Law: Das ist einer der Gründe, warum ich solch ein Projekt nicht wiederholen werde. Ich lache beim Musikmachen einfach zu gern.
Warum hast du der Platte nicht ein Happyend gegönnt, wenn es dir doch schon während der Aufnahmen wieder besser gegangen ist?
Vance-Law: Über diese Option habe ich nicht eine Sekunde lang nachgedacht. Mich nervt es einfach zu sehr, wenn Alben immer diese Auflösung anbieten. Nimm etwa „Lemonade“ von Beyoncé: Das ist in der ersten Hälfte so eine ausdrucksstarke Arschtrittplatte, die Herzen bricht – aber dann gibt es plötzlich diesen Umschwung zu Aussöhnung und Happiness. Das hier ist einfach ein Prozess, durch den man bis zum Ende durch muss. Es kann Monate oder auch Jahre dauern, und vermutlich findet dich dein Umfeld schon sehr lange anstrengend. Stellt dir noch nur Hörer:innen vor, die sich mit der Gefühlslage der Platte identifizieren – und dann erzähle ich ihnen auf Seite zwei, dass bei mir schon längst wieder alles gut ist. Ich lüge nicht gern, aber mit dieser Platte wollte ich unbedingt sagen: Es wird nicht besser, es ist schrecklich.