„Schlafen“ von Theresia Enzensberger
In „Schlafen“ zieht Theresia Enzensberger kluge Verbindungslinien zwischen dem Schlaf und dem Kapitalismus und sozialdarwinistischen Vorstellungen von Schwäche.
In „Schlafen“ zeigt Theresia Enzensberger: Schlafen wird einerseits zur absoluten Privatsache gemacht, unterliegt aber zugleich äußerlichen Zwängen und einer pervertierten Optimierung.
„Ich schlafe zu viel.“ Ein Satz, den Theresia Enzensberger 2015 noch in einem Zeitungstext geschrieben hat. Heute leidet die Schriftstellerin und Journalistin unter Schlafstörungen, das gesellschaftliche Problem bleibt jedoch dasselbe: Wer zu viel schläft, ist faul. Ein guter Anlass, sich nochmals essayistisch mit dem Schlaf auseinanderzusetzen. Mit „Schlafen“ geleitet Enzensberger die Leser:innen durch den leichten, den Tief- und den Traumschlaf: als politische Analyse, persönlich assoziatives Essay und schließlich als düstere Kurzgeschichte. Was dabei deutlich wird, ist ein bedenkliches Paradox: Schlafen wird einerseits zur absoluten Privatsache gemacht, unterliegt aber zugleich äußerlichen Zwängen und einer pervertierten Optimierung.
Einschlafen bedeutet, sich angreifbar zu machen
Und so zieht Enzensberger kluge Verbindungslinien zwischen dem Schlaf und dem Kapitalismus und sozialdarwinistischen Vorstellungen von Schwäche. Denn Einschlafen bedeutet, sich der Welt hinzugeben, sich angreifbar zu machen, den Menschen um sich herum zu vertrauen. Unser Verständnis von Schlaf sagt viel darüber aus, wie wir mit den Schwachen und Verletzen umgehen. Nach Enzensberger gilt es, ein wenig mehr Schwäche zu wagen.
Mit „Schlafen“ hat es Theresia Enzensberger auf unsere Liste der besten Bücher im Juli 2024 geschafft.