„Wir leben in einem Patriarchat – und das ist für alle scheiße!“
Mit „Die Ambassadorin“ legt Quereinsteiger Sebastian Janata nicht nur einen wunderbar skurrilen Debütroman vor. Der Musiker etabliert auch gleich mal ein neues, längst überfälliges Genre.
Sebastian, du bist Schlagzeuger bei der Gruppe Ja, Panik und arbeitest als Produzent für Künstler wie Voodoo Jürgens. Haben wir deinen Debütroman jetzt der Tatsache zu verdanken, dass du 2016 an „Futur II“, einem Textband zum zehnten Geburtstag von Ja, Panik, mitgeschrieben hast?
Sebastian Janata: Genau, beim Schreiben für „Futur II“ habe ich gemerkt, was für einen Spaß ich daran habe, in von mir ausgedachte Welten einzutauchen. Tatsächlich habe ich bis dahin aber nie regelmäßig geschrieben, und bis zum Schluss hat es so viele Momente gegeben, in denen ich gedacht habe, dass ich das alles nicht packe. Ein Roman ist wie ein Riesenberg: Ich musste Scheuklappen aufsetzen und Schritt für Schritt da rauf.
Du hattest immerhin schon einen Anfang, denn die Figur der Ambassadorin taucht bereits in „Futur II“ auf.
Janata: Ich muss gestehen, ich hatte keinen Masterplan. Es gab diese Figur und meine Aufzeichnungen zu ihr. Ein zweiter Kern war meine Kindheit und Jugend im Burgenland: Ich habe mich bei meinen persönlichen Erfahrungen bedient und die dann verfremdet. Und schließlich interessiere ich mich nun schon seit ein paar Jahren für intersektionalen Feminismus. Die Geschichte hat sich ein bisschen von selbst geschrieben, weil mir die Skills gefehlt haben, wie man ganz lehrbuchmäßig eine Story baut. So ist die Geschichte meiner Meinung nach aber auch besonderer und nicht allzu brav geworden.
Mit dem feministischen Heimatroman hast du ein neues Genre erfunden. Vermutlich gab es in deiner Jugend viel, was abgearbeitet werden musste.
Janata: Was da in dem Buch drinsteckt, ist eine innere Forschungsreise, um zu schauen, ob es etwas abzuarbeiten gibt. Klar, es mich nicht allzu sehr überrascht, dass es ziemlich viel gibt. Gleichzeitig habe ich aber auch gemerkt, dass dieser Roman nicht der Text ist, um zu erreichen, dass wirklich etwas für mich gelöst wird. So therapeutisch es auch gewesen ist, à la Thomas Bernhard über Österreich und das Burgenland zu schimpfen, habe ich eher versucht, das nur in kleinen Dosen unterzubringen. Der große Nestbeschmutzer-Roman von mir kommt erst noch, glaube ich.
Eine Aussöhnung mit der Heimat hat „Die Ambassadorin“ nicht bewirkt?
Janata: Eigentlich nicht, ich komme nur ein bisschen besser mit dieser Welt zurecht. Ich habe eine dickere Haut und mehr Selbstbewusstsein und kann besser wegstecken, wie das da läuft. Aber wenn ich da bin, habe ich trotzdem die ganze Zeit das Gefühl, dass ich performen muss. Das ist natürlich überhaupt keine Grundlage, um zu entspannen und sich wohl zu fühlen.
Meine Lieblingsszene ist die, wie dein Protagonist Hugo nach einem Zechgelage die Scheißerei bekommt und ein Kriegerdenkmal aus dem Zweiten Weltkrieg benutzt, um seinen Darm zu entleeren. Aus meiner eigenen Dorfjugend weiß ich, wie sehr diese fragwürdigen Mahnmale mit Spielmannszug, Feuerwehr und Kranzniederlegungen gefeiert werden.
Janata: In Österreich gibt es die wirklich überall, mit Eisernem Kreuz, Unsere-Helden-Aufschrift und so. Jedes Mal, wenn ich an so einem Ding vorbeifahre, denke ich mir, wie krass das ist, dass es darüber keine Diskussionen gibt. Ich frage mich, wie lange der Scheiß noch in all unseren Städten und Dörfern rumstehen wird.
Immerhin erschreibst du dir mit dem Matriarchat ja eine Utopie, wie die Welt eine bessere werden könnte.
Janata: Ganz eigentlich ist das Matriarchat natürlich keine Utopie, aber ich finde es immer wieder lustig, in Gedankenexperimenten ein Matriarchat ins Spiel zu bringen. Wir leben ja in einem Patriarchat – und das ist für alle scheiße! Die Frage ist, wie wir zu einer Gesellschaft kommen, in der alle Menschen so sein können, wie sie sind. Deswegen verhalte ich mich wie bei Gehaltsverhandlungen: Wenn man 500 Euro Gage für eine Performance haben will, fragt man nach 1000 Euro. Und wenn man sich statt dem Patriarchat nach einer freien Gesellschaft sehnt, fordert man eben das Matriarchat. Die Diskussion darüber macht zwangsläufig die herrschenden Missstände sichtbar.