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Sphärisch, direkt, innovativ: Die Alben der Woche

Mogwai: As the Love continues

Mogwai bleiben überraschend bodenständig, Perfume Genius hat seine Songs von Freund*innen remixen lassen und Tindersticks bringen eine minimalistische Lockdown-Platte raus. Unsere Alben der Woche

Alle Künstler*innen, die dieses Mal in unseren Alben der Woche auftauchen, sind auf ihre Art bereits etabliert. Doch sie alle finden nach wie vor Wege, Neues zu schaffen – nicht nur in der Musik allgemein, sondern auch im Kontext ihres eigenen Sounds. Mogwai sind schon lange Meister darin, unverkennbar zu klingen und trotzdem nicht zu langweilen. Ihr Geheimnis? So unprätentiös anzutreten wie möglich. Das gilt auch auf dem neuen Album „As the Love continues“.

Perfume Genius ist für neue Impulse noch einen Schritt weiter gegangen. Für sein neues Album hat sich Mike Hadreas schlicht eine Menge Freund*innen eingeladen, um „Set my Heart on Fire immediately“ zu remixen. Die Platte war letztes Jahr ein Highlight, und Kolleg*innen wie A.G. Cook, Planningtorock oder Jenny Hval schließen auf „Immediately Remixes“ nahtlos an die Innovationen der Vorlage an. Und schließlich sind da noch Tindersticks, die ein Lockdown-Album aufgenommen haben. Aber zum Glück bedeutet das in ihrem Fall nicht Ideenlosigkeit, sondern eine neue Wertschätzung der Einfachheit. Die Alben der Woche:

Mogwai: As the Love continuesMogwai: As the Love continues

Für eine Postrock-Band sind Mogwai erstaunlich bodenständig: Die Briten haben keinerlei politische, spirituelle oder künstlerische Agenda. Sie wollen einfach Musik machen, die in ihren Ohren cool klingt. Dazu kleistern sie auch auf ihrem neuesten Album repetitive Gitarrenstrudel, einzelne Klaviernoten und elektronische Kinkerlitzchen mit viel Hall und langem Atem aneinander – unterbrochen von gerade genug neuen Einfällen, um einem zu versichern, dass man nicht versehentlich eine ältere Mogwai-Platte aufgelegt hat.

Und manche der Ideen sind tatsächlich cool: etwa der sphärisch-bollernde Opener „To the bin my friend, tonight we vacate Earth“, dessen Titel ein Freund der Band eines Nachts im Schlaf gemurmelt hat. Andere sind beim ersten Mal witzig, nutzen sich aber schnell ab – wie der Songtitel „Ritchie Sacramento“, eine Verballhornung von Ryuichi Sakamoto. Letzteres Lied kommt sogar mit verständlichem Gesang daher und macht mit seiner konventionellen Struktur (nur vier Minuten Länge!) wieder einmal deutlich, dass Mogwai schon immer näher am „-rock“ als am „Post-“ dranwaren – was durchaus ein Grund für ihre Bodenständigkeit sein mag.

Perfume Genius: Immediately RemixesPerfume Genius: Immediately Remixes

Mit seinem fünften Album war Mike Hadreas aka Perfume Genius völlig zu Recht in so ziemlich jeder Jahresbestenliste 2020 ganz oben mit dabei, denn „Set my Heart on Fire immediately“ bringt die verschiedenen Facetten in seinem Schaffen perfekt zusammen: vertrackte, abgründige Innovationen auf der einen, großgestige Popmomente auf der anderen Seite.

Die perfekte Ausgangssituation für ein Remixalbum, bei dem sich befreundete Musiker*innen und Produzent*innen seine Großtat Song für Song vornehmen und mit dieser Dualität spielen: A.G. Cook kürzt bei „Describe“ die so charakteristischen Gitarren raus, ohne dem Song seine Dringlichkeit zu nehmen. Planningtorock unterlegt ausgerechnet das laszive Stück „Jason“ mit tanzbaren Beats und sanften Synths, während Danny L Harle die im Original ebenfalls sehr zurückgenommene Komposition „Just a Touch“ gar als Rave-Exzess aufbereitet. Und schließlich ist da Jenny Hval, die am Ende ihrer Interpretation von „Leave“ Hadreas direkt anspricht uns sich bei ihm bedankt.

Tindersticks: DistractionsTindersticks: Distractions

Nicht vom Titel täuschen lassen: „Distractions“ zählt keinesfalls zu den Lockdown-Alben, mit denen Künstler*innen derzeit halb durchdachte und meist auch nur leidlich interessante Ideen veröffentlichen. Auch wenn die Tindersticks mit „Lady with the Braid“ von Dory Previns, Neil Youngs „A Man needs a Maid“ und den Television-Personalities-Klassiker „You’ll have to scream louder“ gleich drei Coverversionen auf die insgesamt sieben Songs umfassende Tracklist setzen, geht es ihnen um einen frischen Sound und die Abgrenzung zum ziemlich genau vor einem Jahr veröffentlichten Vorgänger „No Treasure but Hope“.

Perfekt verdeutlicht das bereits der elfminütige Opener: In bester Krautmanier setzt Stuart Staples bei „Man alone (Can’t stop the Fadin’)“ auf mantraartige Wiederholung und schraubt zu einem hypnotischen Basspuls die Dringlichkeit immer weiter nach oben. Die Briten behalten den minimalistischen, von Hallexperimenten geprägten Ansatz für die restlichen Songs bei – was am Ende dann aber doch wieder zu der herzzerreißenden Pianoballade „Tue-moi“ führt, die den Anschlag auf das Bataclan thematisiert.

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