Zum Inhalt springen

Sziget 2022: Auf Wiedersehen mit den Arctic Monkeys

Sziget before I die
Das Werk „Before I die“ von Candy Chang lässt Sziget-Besucher*innen ihre Träume festhalten.

Eine knappe Woche auf der Island of Freedom ist um. Wir verabschieden uns mit den Arctic Monkeys – aber ohne Sam Fender.

Das Sziget 2022 ist beendet: Sechs Tage auf der Insel der Freiheit sind wie im Flug vergangen. Montag ist der letzte Tag, und da kann sich schon mal Torschlusspanik regen. Nicht wenige werden sich fragen: Habe ich alles gemacht, was ich machen wollte? Das gilt auch für mich, und so beginne ich diesen Abschlussbericht mit einigen Erwähnungen, die bisher einfach noch keinen Platz gefunden haben. Zum Beispiel habe ich nichts von der Art Zone erzählt, in der es alle möglichen Workshops gibt, aber natürlich auch schon beendete Kunstwerke, darunter eine riesige, aufblasbare Venus von Villendorf. Auch die Sport Zone blieb bisher unerwähnt, was in diesem Fall damit zusammenhängt, dass ich sie nicht gefunden habe. Und was ist mit dem GamelandHub, in dem es alle möglichen Spiele zu spielen gibt? Dem Museum für Transport? Der Samsung GamingDome?

Before I die …

Apropos Torschlusspanik: Eine der zentralen Installationen beim Sziget 2022 ist das Projekt „Before I die“ der amerikanischen Künstlerin Candy Chang. Auf einer Mauer können Gäste mit Kreide die Frage beantworten, was sie unbedingt noch tun wollen, bevor sie sterben. Chang wurde dazu von dem Tod einer geliebten Person inspiriert. Auf dem Sziget reichen die Antworten von therapeutisch („learn to commit“) über politisch („unite Ireland“) bis hin zu anzüglich („fuck Mike one more time“) – und manche haben die Aufgabe nicht ganz verstanden („Emily was here“). Insgesamt ist das Ergebnis ein bunter Querschnitt durch die Besucher:innen, insofern hat Chang ihr Ziel erreicht.

Wir alle wissen ja, dass es im Leben immer anders kommt als gedacht. Das macht auch vor dem Sziget nicht halt. Eigentlich war für den Montag Sam Fender für die Hauptbühne vorgesehen, kurzfristig muss sein Konzert aus gesundheitlichen Gründen abgesagt werden. Deshalb beginnt das Programm auf der Main Stage etwas später, mit der ungarischen Band Carson Coma, die Rock spielt und, wie der Sänger verrät, vor allem dankbar dafür ist, mit den Arctic Monkeys eine Bühne zu teilen. Zu denen später mehr, zunächst ist es wieder Zeit für Politik.

Politik: Flucht und Ukraine

In der täglich dafür anberaumten Zeit geht es dieses Mal um Geflüchtete. Das Kollektiv Kamchàtka Liberandum, in Barcelona gegründet, performt dazu ein kurzes Stück, bei dem Männer und Frauen in Schlauchbooten durch die Menge getragen werden, die das Meer simulieren soll. Auf der Bühne angekommen, holen sie Fotos aus den mitgebrachten Koffern. Auf dem Bildschirm hinter ihnen laufen derweil die Namen von Menschen, die auf der Flucht gestorben sind.

Um Politik geht es auch beim Auftritt von Alina Pash. Die Künstlerin stammt aus der Ukraine, da wäre das leider wohl gar nicht zu vermeiden. Doch Pash, die in ihrer Musik Volksmusik-Motive mit modernem HipHop verknüpft, geht sehr explizit und offen mit der Situation in ihrem Land um. In ihren Texten plädiert sie für Freiheit in der Ukraine, hinter ihr blitzen Parolen auf. „Es tut mir nicht leid, Russen, ich bin einfach radikal“, sagt Alina Pash an einer Stelle. Russland ist für sie ein Terrorstaat. Zum Schluss brennt auf der Leinwand der Kreml, während der Rote Platz von digitalem Blut überspült wird.

Ciao, Sziget 2022: Die Arctic Monkeys sehen noch immer gut aus

Später ist es dann Zeit für den letzten Act auf der Hauptbühne in diesem Jahr. (Deprimierender) Fun Fact: Alex Turner ist auch schon 36 Jahre alt. Fairerweise muss man zugeben, dass man ihm das kaum anmerkt. Nach 20 Jahren im Geschäft sind die Monkeys routinierte Rockstars, und Turner glaubt so sehr an den Mythos, dass er in Lederjacke auf die Bühne kommt. Zwar zieht er sie nach einer halben Stunde aus, aber das kann dem Frontmann bei 28 Grad trotz Sonnenuntergang niemand verübeln. Obwohl die Show der Briten nicht so visuell spannend ist wie die von Tame Impala und nicht so abwechslungsreich wie die von Stromae, ist es ein gelungenes Abschlusskonzert. Auch ein einzelner Texthänger von Turner kann da nichts trüben. Nur, dass die Kameraleute fast ausschließlich Turner und Drummer Matt Helders im Blick haben, irritiert – wer nur auf die Bildschirme starrt, könnte meinen, die beiden wären allein auf der Bühne.

Egal. Als am Ende die Hits „I bet that you look good on the Dancefloor“ und „R U mine“ erklingen, drängt sich die Frage auf: Sind die Arctic Monkeys die letzte relevante Gitarrenband? Aber nein, da gibt es ja etwa noch die Kings Of Leon, die auch so etwas wie Rock machen und erst am Donnerstag hier auf der Bühne standen. Und dann sind da natürlich Fontaines D.C. Die treten sogar in derselben Nacht auf wie die Monkeys. Aber, um einen letzten Blick hinter den Vorhang zu gestatten: Dieses Konzert verpasse ich gerade, weil ich diesen Text hier verfasse. Trotzdem bin ich sicher, die Show ist exzellent.

Wenn ihr nachlesen wollt, wie die ersten fünf Tage beim Sziget 2022 waren, findet ihr hier die Texte zu Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag.

Und wenn ihr Appetit auf Budapest bekommen habt: Zur Webseite vom Sziget geht es wie immer hier.

Beitrag teilen: