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TV-Tipp: Superhelden im Streit in „The First Avenger: Civil War“

„The First Avenger: Civil War“ von Marvel
„The First Avenger: Civil War“ (Foto: https://www.prosieben.de/film/the-first-avenger-civil-war )

Dieser Marvel-Film stellt lauter Fragen zu Freiheit, Verantwortung und Terrorbekämpfung – und hat doch keine Antworten. Gut so! Unser Spielfilm-Tipp

Segen oder Fluch? Diese Frage über Superhelden ist keine neue im Universum der Comics und Comicverfilmungen. Eine klare Antwort fand sich bisher nicht; auch „The First Avenger: Civil War“ von Marvel hat keine. Doch der dritte Film mit dem aufrechten und kritischen Patrioten und Supersoldaten Steve Rogers/Captain America hinterfragt nachhaltig die Zerstörungsorgien von Superhelden – und nebenbei noch den Krieg gegen den Terror und interventionistische westliche Politik.

Marvel stellt große Fragen

Die anonymen und unschuldigen Opfer, die sich beim Kampf von Superhelden gegen ihre Gegner anhäufen: Sind sie ein notwendiges Übel, um die Erde zu schützen vor Unterjochung und Zerstörung? Oder sind die Beschützer der Menschheit auch nur eine alliierte Form von Feind? In dem noch im Kino laufenden „Batman vs. Superman: Dawn of Justice“ sind es genau diese Kollateralschäden, die Bruce Wayne/Batman veranlassen, sich gegen Superman zu stellen. In „The First Avenger: Civil War“ beginnt der gereifte Tony Stark/Iron Man nach den mit hohen zivilen Verlusten einhergehenden Siegen gegen die Bedroher aus „Avengers 1+2“ und „The Return of the First Avenger“ zu grübeln: Sollte seine Spezies ohne eine Kontrollinstanz in der Welt herumreisen und in Nigeria, Mexiko, Südkorea oder Osteuropa im Dienste des Guten Chaos und Verwüstung anrichten? Heiligt der Zweck die Mittel? Die Avengers sollen nach seinem Dafürhalten unter die Oberaufsicht der Regierung gestellt und eine Art Sondereinsatztruppe werden, die nicht mehr selbst entscheidet, wann ein Einsatz notwendig ist. Captain America ist dagegen, er befürchtet, zum Werkzeug der Mächtigen zu werden, deren Absichten nicht transparent sind. Ihm geht die Freiheit über alles, ihn führt seine militärische Denke: Man versucht, so viele Leute wie möglich zu retten, manche rettet man einfach nicht. Stark, der Waffenerfinder, der erst in „Avengers: Age of Ultron“ (2015) fahrlässig eine künstliche Intelligenz auf die Menschen losließ, ist vom Zyniker zum Zweifler geworden. Rechtfertigen übermenschliche Fähigkeiten einen übermenschlichen Status? Wird die Freiheit dann nicht zur Narrenfreiheit? Und wie viele tote Unschuldige verträgt der Kampf für die Freiheit, bevor er pervertiert und zur Selbstjustiz wird? Die gewichtige Fragen stapeln sich geradezu, und der ruhige Avenger Vision setzt die rhetorische Cocktailkirsche auf die Superheldenfragestunde: Sind es nicht erst die Superhelden, die durch ihre pure Existenz die gefährliche Angreifer selbst aus den Weiten des Weltall anlocken? Bei den Avengers entstehen zwei verfeindete Lager – und Captain America muss auch noch weiter für die Rehabilitierung seines fremdgesteuerten besten Kumpels und Killersoldaten Bucky Barnes/Winter Soldier kämpfen, den Iron Man und ein mysteriöser Unbekannter im Pantherkostüm zur Strecke bringen wollen. Denn die größte Frage von allen ist für die Avengers auch die gefährlichste: Auf welcher Seite stehst du? …

Für mich oder gegen mich?

In gelenkiger, aufregender Zweikampfaction, die am Leipziger Flughafen ihren vorläufigen Höhepunkt beim Clash der Superhelden findet, tastet sich das Regiebruderpaar Joe und Anthony Russo bei der Beantwortung der vielen Fragen vor. Die freiheitliche, sich überall gegen das Unrecht einmischende Politik ihrer Hauptfigur Captain America reflektiert dabei stark der Geopolitik Amerikas – ihren Einmärschen in Irak und Afghanistan, die unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Terror statt Freiheit und Demokratie nur Leid für die Bevölkerungen brachten. Die Frage, wie viel Überwachung, Krieg und Aufrüstung die Freiheit verträgt, stellte schon dem Marvel-Film „The Return of the First Avenger“ (2013), kulminierend in dem von einer Geheimorganisation innerhalb des Geheimdienstes angeführten Killerargument: besser einige Millionen potenzielle Gefährder töten, um so Milliarden zu schützen. Das korrespondiert wieder mit der Absicht von Bruce Wayne in „Batman vs. Superman: Dawn of Justice“, der den unbesiegbaren Superman lieber ausschalten will, solange nur zu 99 und nicht zu 100 Prozent sicher ist, dass er kein Feind ist. Diese Logik des präventiven Tötens hat Captain America im letzten Film noch vehement bekämpft, und auch sie hat ihre Entsprechung in der Realpolitik: dem Drohnenkrieg der USA, bei dem im Zweifelsfall Unschuldige getötet werden anstatt zu riskieren, dass ein Schuldiger davonkommt.

Freund oder Feind?

„The First Avenger: Civil War“ hat keine klaren Antworten auf all seine komplexen Fragen, weil er unparteiisch bleibt und für beide Standpunkte – Freiheit vs. Kontrolle – Verständnis aufbringt. Und er muss auch keine Antworten haben, denn wer die richtigen Fragen stellt, der muss nicht automatisch auch immer die richtigen Antworten haben. Es ist schon eine große Leistung, dass der Film als Blockbuster aus der Marvel-Comicwelt solche aktuellen und akuten Themen aufgreift. Russo und Russo wollen zum Nachdenken anregen, was im Genre des Überwältigungskinos, in dem der Zuschauer eigentlich alles, nur nicht denken soll, ganz schön innovativ ist. Wenn der Film eine Antwort andeutet, dann diese: Bevor man sich über Ideologie bekriegt, geht man lieber in Freundschaft auseinander – künftige Zusammenarbeit auf sachlicherer und differenzierter Basis nicht ausgeschlossen.

The First Avenger: Civil War läuft um 20:15 Uhr auf ProSieben.

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