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„Was ich dir erzählen möchte oder Lebensweisheiten für ein kleines Alien“ von Alice Franklin

Buchcover „Lebensweisheiten für ein kleines Alien“ von Alice Franklin
Buchcover „Lebensweisheiten für ein kleines Alien“ von Alice Franklin (dtv)

Alice Franklin installiert in „Was ich dir erzählen möchte oder Lebensweisheiten für ein kleines Alien“ eine neurodivergente Protagonistin, die in der zweiten Person erzählt.

Für gewöhnlich streben Menschen nach Freund:innen und Sozialisation. Für gewöhnlich kommunizieren Menschen in ganzen Sätzen. Doch die Protagonistin in Alice Franklins Debütroman „Was ich dir erzählen möchte oder Lebensweisheiten eines kleinen Aliens“ lebt eben nicht nach gewöhnlichen Kriterien. Sie ist Autistin, jedoch nicht diagnostiziert, und damit in einer ihr teils völlig fremden und nicht auf sie ausgelegten Welt. Für sie spielt sich das Leben größtenteils im eigenen Kopf und in den eigenen Routinen ab, Kommunikation und Auseinandersetzung mit anderen Menschen sind schlichtweg anstrengend, weil diese ganz andere Definitionen von normal haben. Das ist der Ausgangspunkt für das Debüt von Alice Franklin, denn die britische Autorin füllt den vermeintlich leeren Raum, den die Protagonistin durch ausbleibende Kommunikation mit der Außenwelt aufkommen lässt, mit einem offenen Fenster in ihre Welt.

Neurodivergenz inmitten der Gesellschaft

Und die sieht ganz anders aus, als vermutlich die der meisten Leser:innen dieses 334 Seiten starken Buches. Knapp 1 Prozent aller Menschen sind laut Studien mit Autismus diagnostiziert – 99 Prozent können demnach also nur bedingt nachfühlen, wie verschoben sich eine auf neurotypische Menschen ausgelegte Welt anfühlen kann. Franklin gewährt aber mit ihrem namenlosen kleinen Mädchen von der ersten Seite an eine Perspektive für all diejenigen, für die der eigene Platz auf der Welt nicht zu existieren scheint. Im Interview mit NPR erzählt die Debütautorin, dass sie als einst selbst nicht-diagnostizierte Autistin unbedingt mit ihrer Protagonistin verbunden fühlen wollte – also mit einem kleinen Mädchen, das ohne Diagnose teils völlig hilflos in die Gesellschaft geschmissen wird.

In der Schule will sie nicht so recht ankommen, sowohl Lehrkräfte als auch die anderen Kinder finden keinen wirklichen Zugang zu ihr. Immer wieder nimmt sie wahr, wie ihre Eltern daheim verzweifeln, denn auch sie sind überfordert, wenngleich auch zumindest um ihr Bestes bemüht. Doch trotz aller Herausforderungen, die mit einer nicht-diagnostizierten autistischen Veranlagung einhergehen, erlebt sie im Verlauf des Romans immer wieder Momente, in denen sie gesehen wird.

Stützen für ein kleines Alien

Da ist zum Beispiel der kleine Junge Bobby, der sie nimmt, wie sie ist, und ihr damit zur Stütze wird. Oder auch das sagenumwobene  Voynich-Manuskript, das sie entdeckt und für sie sinnstiftend ist. Eine Fernsehsendung über ein kleines Alien gibt dem Mädchen nicht nur etwas zum Nachempfinden, sondern auch einen Namen, den sie sich wie einen kleinen Schutzmantel überwirft. Fortan identifiziert sie sich selbst als kleines Alien und spricht sich als Erzählerin auch so an, denn „Was ich dir erzählen möchte oder Lebensweisheiten für ein kleines Alien“ ist konsequent in der zweiten Person erzählt. Trotz dieser ungewöhnlichen Erzählweise ist da beim Lesen immer auch eine Distanz, ein Grundgefühl der Entfremdung. Zudem flicht Franklin Fußnoten und weiterführende Lektüre in die Seiten ein, sodass ihr berührend-komisches Debüt irgendwo zwischen Sachbuch und Roman changiert und Einblicke in eine Perspektive gibt, die viel zu selten thematisiert wird.

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