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Wet Leg: Sie wissen, was wir diesen Sommer tun wollen

Portraitfoto Wet Leg
(foto: Hollie Fernando)

Gitarrenmusik wurde in den letzten Jahren schon häufiger gerettet. Doch dank Wet Leg könnte es jetzt sogar in der Indiedisko wieder spannend werden.

Schlimm genug, dass wir letztes Jahr im Sommer in unseren Wohnungen eingesperrt waren. Doch so richtig unerträglich wurde es erst, als Rhian Teasdale und Hester Chambers ihre Single „Chaise Longue“ zusammen mit einem wunderbar durchgeknallten Video veröffentlicht haben. Natürlich konnte man wie ein Flummi um den Küchentisch hüpfen oder auch mal zwischen Schreibtisch und Sofa ein paar peinliche Dancemoves ausprobieren – trotzdem wurde uns dank Wet Leg einfach schmerzhaft bewusst, warum wir im Sommer raus auf die Festivalwiesen wollen.

Und plötzlich begann man zu fantasieren: Wie wäre es eigentlich, wenn nach der Pandemie nicht nur ein paar schmerbäuchige Vierziger in der Indiedisko abhängen, die wieder und wieder „Banquet“ von Bloc Party und Franz Ferdinands „Take me out“ hören wollen? Die Vorstellung wurde immer attraktiver, weil Wet Leg mit „Wet Dream“ und „Oh no“ einfach weitere Party-Songs nachlegen, die ebenfalls mit lustigen und entlarvend bissigen Alltagsbeobachtungen garniert sind. Und auch die bewährte Arbeitsteilung behalten sie bei, mit der das Duo eine ganz und gar eigene Welt entwirft: Chambers zeichnet die Singlecover, während Teasdale für die aberwitzigen Ideen ihrer Clips verantwortlich ist.

Kennengelernt haben sich die beiden als 17-Jährige am College auf der Isle of Wight. „Wir haben zuvor auch schon in anderen Bands gespielt, aber da waren stets Typen dabei – und die wissen ja immer sehr genau, was sie wollen“, sagt Teasdale. „Als ich dann mit Hester allein auf der Bühne gestanden habe, war das eine komplett neue Erfahrung, weil wir uns gegenseitig viel mehr Freiräume zugestanden haben.“ Plötzlich war die Musik mehr als nur Hobby, und so sind sie nach London gegangen, wo sie in Dan Carey (Squid, Goat Girl, Black Midi) genau den richtigen Produzenten für ihren Sound zwischen Postpunk und Indierock gefunden haben. „Als Frau wird so viel von dir verlangt, aber dein einziger Wert besteht darin, wie hübsch oder cool du aussiehst. Wir aber wollen albern und ein bisschen unhöflich sein. Wir wollen Songs schreiben, zu denen die Leute tanzen können, und wir wollen, dass sie eine gute Zeit haben, auch wenn das vielleicht nicht immer möglich ist“, bringt Chambers die Programmatik von Wet Leg auf den Punkt.

Als die Debütsingle sowohl bei Streamingportalen als auch im Radio durch die Decke geht und Supportanfragen von Chvrches und den Idles einbringt, ist das Debütalbum längst im Kasten. Wenn „Wet Leg“ jetzt endlich erscheint, schreibt es mit elf weiteren Dreiminütern also ganz unbefangen die Geschichte der „Chaise Longue“ fort – und liefert so den Soundtrack für einen hoffentlich unbekümmerteren Sommer.

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