„3“ von Abdullah Ibrahim: Schwingende Lebensgeschichte
Der Südafrikaner hat durch das Apartheid-Regime viel Leid erfahren. Es gäbe genug zu erzählen, dennoch überlasst der 90-Jährige nun anderen die Bühne.
Der Mann mit den schlohweißen Haaren weiß, wie er sein Publikum berührt. Auf seinen letzten Touren hat Abdullah Ibrahim stets eine unverstärkte Zugabe gegeben, mit geschlossenen Augen und einer Hand an der Wange. Auch im Sommer 2023 hat der Pianist sein Londoner Konzert nur mit Stimme beschlossen: „When I came back to the land I was born, there was no one to welcome me home“. Die südafrikanische Legende hat viel Leid erlebt, ist dem Apartheid-Regime entkommen und hat es mit Kunst bekämpft, und tourt auch im Alter von fast 90 Jahren noch um die Welt.
Dabei spielt Ibrahim Musik, die innehalten lässt, vorgetragen mit der Konzentration und Gelassenheit eines Mannes, der sich seit langem mit japanischer Kampfkunst beschäftigt. Auf „3“ überlässt er die Bühne auch einmal Cleave Guyton Jr. an diversen Flöten und Noah Jackson, der Coltranes „Giant Steps“ als Kontrabass-Solo spielt. Fantastisch: Teil eins des Live-Albums, mitgeschnitten ohne Publikum, das Rauschen der alten Bandmaschine ist zu hören. Ibrahim tupft diese unnachahmliche Mischung aus südafrikanischer Folklore und US-Gospel dahin, und man glaubt, seine ganze Lebensgeschichte mitschwingen zu hören.