Dieser Roman ist ein Gedicht
Obwohl „Fast ein Vater“ von Alejandro Zambra ein Roman ist, liefert er seitenweise Argumente dafür, mal wieder einen Gedichtband zur Hand zu nehmen.
Nach neun Jahren trifft der Möchtegerndichter Gonzalo seine Jugendliebe Carla wieder, die inzwischen einen Sohn hat. Sie kommen wieder zusammen, und Gonzalo wird für den sechsjährigen Vincente zur Vaterfigur. Und doch ist „Fast ein Vater“, der deutsche Titel des neuen Romans von Alejandro Zambra, unglücklich gewählt.
Denn es geht um weit mehr als das Dasein als nomineller Stiefvater: um Liebe, Träume, Familie – und vor allem um Dichtung. Denn obwohl Gonzalo Carla und ihren Sohn irgendwann wieder verlässt, entzündet sich in dem heranwachsenden Vincente ebenfalls die Liebe dazu. Im Mittelteil gönnt sich Zambra eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Poesieszene seines Heimatlandes, indem er die US-Reporterin Pru einen langen Artikel darüber schreiben lässt. Ein Großteil der chilenischen Dichter:innen, die Alejandro Zambra liebevoll durch den Kakao zieht, existiert wirklich. Überhaupt hat der Autor diebischen Spaß an dem Spiel mit Metaebenen, durchbricht mehrfach die vierte Wand und liefert damit selbst das beste Beispiel für die Freude an den Worten, die Gonzalo und später Vincente so beflügelt. Obwohl „Fast ein Vater“ ein Roman ist, liefert er seitenweise Argumente dafür, mal wieder einen Gedichtband zur Hand zu nehmen. Daher ist der Originaltitel dem deutschen auch meilenweit überlegen: Auf Spanisch heißt das Buch einfach „Poeta chileno“.