Postsowjetische Fieberträume
Mit absurden Alltagsbeobachtungen zeigt Alexei Salnikow in „Petrow hat Fieber, wie erkrankt die russische Gesellschaft ist.
Paracetamol und Wodka sind Petrows einzige Verbündete im Kampf gegen den Alltag. Gleichgültig schlurft der fiebrige KFZ-Mechaniker und Hobby-Zeichner durch den freudlosen Winter im postsowjetischen Jekaterinburg. Ruhe und ab und zu ein anständiger Suff sind alles, was er noch vom Leben erwartet. Zu Hause liegen Petrowa und Petrow Junior: Seine Frau, von tief verborgenen Mordgelüsten umgetrieben, und sein blasser, bildschirmsüchtiger Sohn – beide mit Fieber. Noch nie hat das Bild des Fiebertraumes besser gepasst als bei Alexei Salnikows „Petrow hat Fieber“: Leichen stehen wieder auf, Hades säuft mit Petrow Wodka, und Rückblenden lösen sich im Hier und Jetzt auf.
Inmitten der Trolleybusfahrten und tristen Datscha-Ausflüge werden Salnikows absurde Alltagsbeobachtungen zu treffenden Zeitdiagnosen einer erkrankten, nach Eau de Cologne miefenden russischen Gesellschaft: zerrissen zwischen dem Gestern und dem Heute, im Kampf der Generationen, der gesellschaftlichen Gruppen und Geschlechter. Kann das intellektuelle, sowjetische Erbe gegen den Pop verteidigt werden?
Mit „Petrow hat Fieber“ hat es Alexei Salnikow auf unsere Liste der besten Bücher im Februar 2023 geschafft.