Unsandiger Spaß
Mit ihrem Buchdebüt gelingt es Andrea Petkovic scheinbar mühelos, eine denkbar ungekünstelte Erzählweise mit unterschwelligem Tiefgang zu kombinieren.
Ein kleiner Etikettenschwindel: Obwohl das Prosadebüt von Andrea Petkovic als „Erzählungen“ gelabelt ist, handelt es sich in Wahrheit um die Autobiografie der Tennisspielerin. Klar, schon in der Einleitung warnt die Autorin, sie habe es mit der Wahrheit nicht immer allzu genau genommen. Doch die Eckdaten stimmen, und auch, wenn Petković nicht chronologisch vorgeht, zeichnen die einzelnen Kapitel zusammen genommen ein ziemlich umfassendes Bild ihres Lebens. In Bosnien geboren, mit sechs Monaten nach Darmstadt gezogen, scheint der Profi-Tennis ihr schon immer im Blut gelegen zu haben. In „Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht“ erzählt Andrea Petković nicht nur von der Unterstützung ihrer Eltern, von endlosen Trainingssessions und dem mühsamen Aufstieg in die Top 10 der Weltrangliste, sondern auch den zahlreichen Verletzungen, die sie immer wieder fast die Karriere gekostet hätten. Dabei stellt sich heraus, was man am Spielfeldrand oder vor dem Bildschirm schon immer vermutet hat: Um es als Tennisprofi zu schaffen, braucht es eine Beharrlichkeit, die uns Zivilist*innen oft wie Wahnsinn vorkommen muss.
Wer seitenlange Schilderungen sandtrockener Balltausche befürchtet (oder herbeisehnt), den werden diese kurzen Schnappschüsse eines bewegten, immer kompromisslos gelebten Lebens überraschen. Aber diese Erwartung werden wohl die wenigsten haben, denn schon länger ist Petković auch als Kolumnistin, Redakteurin und Moderatorin tätig. Dass man sogar über Tennis auf denkbar poetische Weise schreiben kann, hat ja spätestens 2006 David Foster Wallace mit „Federer both Flesh and not“ bewiesen. Diesen Essay nennt Petković dann auch explizit als Inspiration, zusammen mit weiteren Autor*innen von Dostojewski bis Chris Kraus. Wie sie es geschafft hat, bei ihrem Pensum auch noch sämtliche Franzen-Wälzer zu verschlingen, verrät die Autorin leider nicht. Doch man kauft ihr die Liebe zur Literatur ab, schon wegen der Art, wie es ihr die meiste Zeit gelingt, eine denkbar ungekünstelte Erzählweise scheinbar mühelos mit unterschwelligem Tiefgang zu kombinieren. Gerade Leser*innen, die insgeheim noch immer das Vorurteil hegen, Sport und Stumpfsinn seien Synonyme, können darum hier noch etwas lernen: Wenn Petković allen Ernstes behauptet, Tennis sei eine Metapher für das Leben, ist man am Ende des Buches fast versucht, ihr zu glauben.
Mit „Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht“ hat es Andrea Petkovic auf unsere Liste der besten Bücher im Dezember 2020 geschafft.