Zum Inhalt springen

Björk: „Fossora“ ist da – Erde gut, alles gut

Björk Vidar Logi
(Foto: Vidar Logi)

Auf „Fossora“ tanzt Björk gegen Trauer und Schwere an – und findet neuen Halt in der Familie. Hört euch das neue Album jetzt hier an.

Das Warten hat ein Ende: Björk hat ihr neues Album „Fossora“ veröffentlicht. Zunächst hat die isländische Künstlerin Einzelheiten wie Cover und Tracklist geteilt, dann Singles wie „Atopos“, „Ovule“ und mehr. Dadurch war Fans schon im Vorfeld vieles über „Fossora“ bekannt, darunter die Inspiration hinter dem kryptischen Titel, der so viel wie „die Grabende“ oder „die Buddelnde“ bedeutet. Jetzt ist das komplette Album draußen. Streamt es weiter unten auf dieser Seite.

Wie Björk angekündigt hatte – und die diversen Singles bewiesen haben – geht es in „Fossora“ viel um unterirdische Themen: Erde, Pilze und Wurzeln – sowohl buchstäbliche als auch metaphorische – bevölkern das Album. Das hängt damit zusammen, dass Björk im Rahmen der Pandemie sehr viel mehr Zeit zu Hause in Island verbracht hat als geplant oder gewohnt. Daher ist auch Familie ein zentrales Thema der Platte. Gleich mehrere Songs, darunter die Single „Ancesstress“ sowie der Closer „Her Mother’s House“, befassen sich mit dem Tod von Björks Mutter Hildur Rúna Hauksdóttir. Auf dem letzteren Song ist auch Björks Tochter Ísadóra zu hören, ihr Sohn Sindri Eldon Þórsson dafür bei „Ancesstress“.

„Fossora“: Erde, Pilze, Gabber-Beats

Doch trotz dieses schwierigen Themas ist „Fossora“ kein düsteres Album. In einem Interview mit Pitchfork betonte Björk, dass sie absichtlich keine Platte über Baumwurzeln, sondern über Pilze machen wollte, da diese psychedelisch seien und überall auftauchen könnten, während Baumwurzeln steif und ernst seien. Im Lockdown hat sie sehr viel private Tanzpartys gefeiert, die sich in „Fossora“ als Gabber-Beats niederschlagen, oft gemeinsam produziert mit Gabber Modus Operandi, einem Duo aus Bali.

Die Erde äußert sich auf „Fossora“ auch als Teil des Soundkonzepts. „Klanglich geht es um Bass, um schwere Tiefen. Wir haben sechs Bassklarinetten und wuchtigen Subbass“, erklärte Björk im Vorfeld. Damit grenzt sie das Album zugleich von „Utopia“ aus dem Jahr 2017 ab, auf dem sphärische Flötenklänge dominierten. Dennoch ist „Fossora“ kein vollständiger Bruch mit „Utopia“: Björks Songwriting ähnelt auf dem neuen Album dem des Vorgängers. Fans, die sich die Ohrwurmmelodien aus „Homogenic“-Zeiten zurückwünschen, müssen weiterhin darauf verzichten. Denn die Songs auf „Fossora“ sind harmonisch und melodisch abstrakt und komplex, oft fehlen klare Abgrenzungen zwischen Strophe und Refrain, Atmosphäre und Lyrics sind Björk wichtiger als Eingängigkeit. Das ist beim zehnten Album verständlich – trotzdem darf man natürlich die Zeit vermissen, als sie Experimente und Zugänglichkeit noch scheinbar mühelos verbunden hat.

Das bedeutet aber nicht, dass Björk auf „Fossora“ keinen Spaß hat. Immer wieder brechen die Gabber-Beats durch, zum ersten Mal gleich im Intro-Track „Atopos“, und das mit einer Stumpfheit, die ein Augenzwinkern suggeriert. Später beendet Björk die Reihe aus den drei schweren Stücken „Victimhood“, „Allow“ und „Fungal City“ mit dem kurzen Stück „Trölla-Gabba“, das genauso klingt, wie der Titel verspricht.

Björk zieht Bilanz

Trotz des konkreten Konzepts zieht „Fossora“ gleichzeitig auf subtile Art Bilanz. Auf dem Album lassen sich Fragmente und Anleihen an fast alle früheren Werke von Björk finden. Die Bassklarinetten sind neu, aber die Streicher und der Chor, beide immer wieder extrem präsent, begleiten die Künstlerin seit Jahren und standen auf „Vulnicura“ (2015) zuletzt im Zentrum. Die enzyklopädische Beschäftigung mit der Natur erinnert an „Biophilia“ (2011). Wenn Björk in „Fungal City“ über ihren Geliebten singt: „His capacity for love is enormous/His celebrational intelligence is ridiculous“, sind das die Art von Komplimenten, die sie schon in „Venus as a Boy“ ihrem Partner gemacht hat.

Und wenn „Her Mother’s House“ mit einem Mantra aus dem einfachen Wort „Undo“ endet, kann das nichts anderes sein als eine Referenz an den gleichnamigen Track auf „Vespertine“ (2001). Dass Björk sich aktuell mit ihrem gesamten Werk auseinandersetzt, beweist auch ihr neuer Podcast „Sonic Symbolism“, bei dem sie in jeder Folge über eines ihrer Alben spricht. Die Botschaft ist deutlich: Hier hören wir eine Künstlerin, die es geschafft hat, alle ihre Aspekte und Seiten souverän zu vereinen – und dabei weiterhin Neuland zu erschließen. Auch mit 56 Jahren führt kein Weg an Björk vorbei.

Björk: „Fossora“ hier streamen

Beitrag teilen: