„Schnell leben“ von Brigitte Giraud
Mit „Schnell leben“ gelingt Brigitte Giraud das Kunststück, ein Leben zu erzählen, während sie die Macht des biografischen Zufalls betont.
Für „Schnell leben“ hat die französisch-algerische Schriftstellerin Brigitte Giraud im Jahr 2022 den Prix Goncourt erhalten.
Bereits wenige Jahre nach dem tragischen Unfalltod ihres Mannes im Jahr 1999 hat sich Brigitte Giraud mit „Das Leben entzwei“ an eine literarische Reflexion jener biografischen Zäsur gewagt. Da sich im Laufe eines Lebens das eigene Verhältnis zu solch prägenden Ereignissen verändert, war es nun an der Zeit, dem ersten, kühlen, in Protokollform verfassten Roman einen strahlenden Nachruf hinzuzufügen. Giraud beginnt „Schnell Leben“ mit dem Motorradunfall ihres Mannes, auf den aussichtslose Bemühungen folgen, Gründe für das Willkürliche zu finden: ein Hauskauf, ein nicht geführtes Telefonat, ein falscher letzter Song.
In über 20 kurzen Kapiteln zieht das vorangestellte Wörtchen „wenn“ eine eiserne Grenzlinie zwischen Wunsch und Wirklichkeit und frisst sich in endlosen Was-wäre-wenn-Schleifen ins Hirn der Leser:innen. Gerade weil der verzweifelte Versuch, Sinnzusammenhänge in einer kontingenten Welt herzustellen, zum Scheitern verurteilt ist, strotzt dieser Roman vor Leben und Liebe. Giraud gelingt mit „Schnell Leben“ das Kunststück, ein Leben zu erzählen, während sie die Macht des biografischen Zufalls betont. Mit Sicherheit ein Grund dafür, warum die französisch-algerische Schriftstellerin 2022 für dieses Buch den Prix Goncourt erhalten hat.
Mit „Schnell leben“ hat es Brigitte Giraud auf unsere Liste der besten Bücher im Oktober 2023 geschafft.