Nicht totzukriegen
Der bild- und sprachgewaltige Roman „Die nicht sterben“ von Dana Grigorcea ist Schauermärchen, Krimi und düsteres Gesellschaftsporträt in einem.
Nach zahllosen Adaptionen vergisst man leicht, dass Graf Dracula ein reales Vorbild hat: Vlad III. Drăculea, ein Fürst des 15. Jahrhunderts, der gegen die vorrückenden Osmanen gekämpft hat und wegen seiner Grausamkeit als „der Pfähler“ bekannt war. Eigentlich erstaunlich, dass bisher niemand auf die Idee gekommen ist, Fakt und Fiktion zu verknüpfen. Das macht nun Dana Grigorcea mit „Die nicht sterben“: Ihre namenlose Hauptfigur ist als Kind oft in der rumänischen Kleinstadt B. bei ihrer Großtante Margot gewesen, die dort trotz der Diktatur ein sorgloses, großbürgerliches Leben geführt hat. Heute kehrt sie aus Paris in ein postkommunistisches, verfallendes B. zurück, regiert von korrupten Lokalpolitikern. Da findet man in der Familiengruft eine Leiche, die offenbar gepfählt wurde – und auf dem Grab daneben steht ein allseits bekannter Name. Als letzte Ruhestätte Vlads wird B. zur Touristenattraktion. Die Protagonistin sieht nachts einen Schemen die Hauswand hinabkriechen und stellt schon bald beunruhigende Veränderungen an sich fest …
Grigorceas bild- und sprachgewaltiger Roman ist Schauermärchen, Krimi und düsteres Gesellschaftsporträt in einem. Bei aller Dichte sperrt sie sich gegen einfache Antworten: Ist der Hype um Dracula eine Metapher für die faschistoide Sehnsucht nach einem starken Führer – oder die Diktatur der Vergangenheit, so schwer totzukriegen wie der Vampir selbst? Sind die Politiker die wahren Blutsauger – oder Leute wie Margot mit ihrem aristokratischen Dünkel? Bis zum überraschenden Ende holt die Autorin aus dem Vampirstoff alles Denkbare heraus und zeigt einmal mehr: Auch nach mehr als 100 Jahren sind die Untoten nicht totzukriegen.
Mit „Die nicht sterben“ hat es Dana Grigorcea auf unsere Liste der besten Bücher im März 2021 geschafft.