„Die Affäre Cum-Ex“ im ZDF: Ein Bankraub ist ein Klacks dagegen

Moral gegen Skrupellosigkeit: Das ist nur Oberfläche. „Die Affäre Cum-Ex“ im ZDF und in der ZDF-Mediathek zeigt, wie der Kapitalismus tickt.
Steuern zurückholen, die man nie gezahlt hat: Das betrügerische, aber juristisch lange Zeit vermeintlich legale System der Cum-Ex-Geschäfte wird in dieser Finanzthrillerserie so kritisch wie leicht verständlich, vor allem aber immer auch mit reichlich schwarzem Humor erzählt. „Die Affäre Cum-Ex“ läuft im ZDF und kann in der ZDF-Mediathek gestreamt werden.
Die achtteilige Serie „Die Affäre Cum-Ex“ kann grob in zwei Kapitel eingeteilt werden: In den ersten vier Folgen zeigt die Serie vor allem, wie die Cum-Ex-Geschäfte – vorher fanden sie nur direkt zwischen Banken statt – auch für externe Investoren interessant wurden. Maßgebliche Akteure in Deutschland sind die beiden fiktiven Anwälte Dr. Bernd Hausner (Justus von Dohnányi, „Der Spitzname“, „Liebes Kind“) und sein Mitarbeiter und späterer Partner Sven Lebert (Nils Strunk, Ensemblemitglied am Burgtheater Wien). Sie pendeln – zunächst noch für eine Großbank in Frankfurt, später mit einer eigens nur für diese Steuerbetrugsgeschäfte gegründeten eigenen Firma agierend – zwischen den europäischen Metropolen und akquirieren Investoren. Ihr erster Fisch ist der reiche Daniel Köhler (Martin Wuttke, „Die Zweiflers“, „Bonn – Alte Freunde, neue Feinde“), der mit 50 Millionen Euro dabei ist. Daraufhin holen sie sich einen Kredit in Höhe von einer Milliarde Euro und legen los. Das betrügerische Geschäft basierte auf der damals juristisch abgesicherten Tatsache, dass eine Bank sich die nur einmal an den Staat abgeführte Kapitalertragssteuer vom Staat doppelt zurückfordern konnte, ohne dass dieser das Handwerkszeug gehabt hat, diesen Betrug durch Nachforschungen zu entdecken.
Der zweite Handlungsstrang der ersten vier Folgen zeigt am Beispiel Dänemark, wie durch eine absichtliche und systematische Zerstörung der Kontrollmechanismen der Steuerbehörde – ganz im Sinne der neoliberalen Ideologie – der Staat die Tore für diesen Betrug weit öffnete. Dabei schneidet die Serie die Taten der maßgeblich verantwortlichen Instanzen und die Aussagen im späteren Untersuchungsausschuss gegen, um die Perfidie und die Lügen der Akteure aufzudecken. Die verantwortlichen Steuerbeamten Inger Brøgger (Karen-Lise Mynster, „Wenn die Stille einkehrt“) und Niels Jensen (David Dencik, „Families like ours“), die den Skandal entdeckt haben und aktiv werden wollen, lässt man dabei absichtlich im Namen des Neoliberalismus ins Leere laufen.
Showrunner Jan Schomburg (Drehbuch für „Ich bin dein Mensch“ und „Vor der Morgenröte“) hat nicht nur ein hervorragendes Drehbuch geschrieben, sondern auch beste Schauspielerinnen und Schauspieler gewinnen können. Fabian Hinrichs („ZERV – Zeit der Abrechnung“, „Die nettesten Menschen der Welt“) spielt einen unbestechlichen Investigativjournalisten, Philipp Hochmair („Die Wannseekonferenz“, „Helgoland 513“) einen Vertreter des absolut kriminellen Arms der Investoren, und Thorsten Merten („Der Greif“, „Nackt über Berlin“) als Sven Leberts Vater einen einfachen Mann, der das Kriminelle an den Aktivitäten seines Sohnes unerbittlich auf den Punkt bringt. Selbst für kürzere Auftritte wie den einer Hamburger Steuerbeamtin gewann man mit Lina Beckmann („Polizeiruf 110 Rostock“, „Alles gelogen“, Ensemblemitglied am Schauspielhaus Hamburg) einen Hochkaräter.

Die Serie „Die Affäre Cum-Ex“ läuft beim ZDF und kann in der ZDF-Mediathek gestreamt werden. Foto: Foto: ZDF/Petro Domenigg
Und dann tritt Lisa Wagner (In Liebe, Eure Hilde“, „Freibad“) fulminant an den Start. Sie spielt die junge Kölner Staatsanwältin Lena Birkwald, die – nachdem sie von der Steuerbeamtin Anna Nowak (Kea Krassau) auf den Fall gebracht wurde und einmal Blut geleckt hat – wie ein intelligenter Pitbull hinter Hausner und Lebert her ist. Die aus purer Integrität gespeiste Unerbittlichkeit, mit der sie in der zweiten Hälfte der Serie „Die Affäre Cum-Ex“ ihr Ding gegen alle Widerstände durchzieht, ist genauso Quelle des schwarzen Humor in der Handlung, wie dies die kriminellen Handlungen von Hausner und Lebert in der ersten Hälfte sind. „Die Affäre Cum-Ex“ ist damit mehreres auf einmal: Die Serie ist ein Lehrstück für jeden, dem der Begriff Cum-Ex zwar geläufig war, dem aber die kriminielle Energie der beteiligen Juristen vorneweg und dann aller weiteren Akteure an der Affäre nicht bekannt war. Die Serie ist aber noch viel mehr.

Die Serie „Die Affäre Cum-Ex“ läuft im ZDF und kann in der ZDF-Mediathek gestreamt werden. Foto: Foto: ZDF/Petro Domenigg
Die Serie „Die Affäre Cum-Ex“ ist nämlich deswegen noch lange kein trockenes Stück Film, sondern kurzweilig-schwarzhumorig und mit viel Tiefgang gedreht, was gleichermaßen am Drehbch und an der hervorranden Leistung der erwähnten Schauspielerinnen und Schauspieler liegt. Nicht vergessen sollte man die beiden Regisseure. Dustin Loose („ZERV – Zeit der Abrechnung“) war maßgeblich für den deutschen Part der Serie verantworlich, während Kaspar Munk („Limbo – Gestern waren wir noch Freunde“) den dänischen Teil drehte. Sie finden, dass der Staat zu stark und zu regulierend ist und vor allem den Kapitalmarkt mehr in Ruhe machen lassen sollte? Dann schauen Sie sich die Serie „Die Affäre Cum-Ex“ an. Wohl kaum in der Vergangenheit wurden die Lügen dieser Ideologie so offengelegt wie hier.