Die besten Bücher 2020: Drei Empfehlungen aus dem Juli
Die Literaturhighlights für die Ferienzeit: Die besten Bücher aus dem Juli 2020 mit Victor Jestin, David Lopez und dem Literaturkanon von David Bowie.
Die besten Bücher im Juli 2020: David Bowie inszeniert sich mit einer Liste seiner 100 Lieblingsbücher als legitimer Nachfolger von Marcel Reich-Ranicki. John O’Connell flankiert seine Auswahl mit liebevoll-nerdigen Essays, die vor allem durch Detailwissen überzeugen.
David Lopez liefert mit „Aus der Deckung“ einen Jugend- beziehungsweise Boxroman, wie er im Buche steht, und gewinnt darüberhinaus auch noch beim Debütroman-Bingo: Jugendliche, die lieber Drogen nehmen, als über ihre Gefühle zu sprechen? Check. Provinzielle Perspektivlosigkeit? Check. Ein Sport als Metapher für das Leben? Check. Trotz dieser Formelhaftigkeit lohnt die Lektüre jedoch für ihre Authentizität.
Das Buch des Monats Juli liefert indes ein anderer Debütant: Victor Jestin gelingt es mit „Hitze“ auf gerade mal 160 Seiten, ein dringliches Setting zu etablieren. Bereits der erste Satz ist ein Reinzieher: Oscar ist tot, weil ich ihn beim Sterben zugesehen habe, ohne mich zu rühren.“
Die besten Bücher für den Juli 2020:
3. John O’Connell: Bowie’s Bücher
Eine Bowie-Autobiografie in Form einer vom Künstler selbst kuratierten Bücherbestenliste: Camus und Kerouac tauchen auf, klar, und Anthony Burgess’ „A Clockwork Orange“ ist Bowies selbsternannter Schlüsselroman. So weit, so vorhersehbar. Dass John O’Connell aus diesem vom Künstler nicht zu knapp durchdramatisierten Referenzrahmen noch sehr viel Spannendes herauszulesen vermag, liegt nicht zuletzt an O’Connells spürbarer Leidenschaft für Bowies Werk. Am spannendsten sind „Bowie’s Bücher“ nämlich da, wo der Autor den erwartbaren Pfad verlässt und sich der Fanboy-Detailanalyse hingibt.
Kiepenheuer & Witsch 2020, 384 S., 16 Euro.
Aus d. Engl. v. Tino Hanekamp
2. David Lopez: Aus der Deckung
Jugendliche, die lieber Drogen nehmen, als über ihre Gefühle zu sprechen? Check. Provinzielle Perspektivlosigkeit? Check. Ein Sport als Metapher für das Leben? Check. Beim Debütroman-Bingo ist David Lopez’ „Aus der Deckung“ ein heißer Kandidat auf den Punktsieg. Die Provinz ist hier eine unbenannte französische Kleinstadt, der Sport ist Boxen. Für Jonas wäre eine Karriere als Profi eigentlich die einzige Chance, es im Leben zu etwas zu bringen. Das Talent hat er, aber nicht die Disziplin. Als wir ihn zum ersten Mal treffen, hat er gerade einen Kampf verloren, was ihn jedoch nicht sonderlich hart zu treffen scheint. Das Rumhängen mit seinen Freunden liegt ihm ohnehin mehr … Allein schon für die Innovation, Boxen einmal nicht als alles entscheidenden Zweikampf, sondern als oft eintönige Routine zu zeigen, lohnt sich die Lektüre dieses herausragenden Debütromans.
Hoffmann und Campe 2020, 254 S., 24 Euro
Aus d. Franz. v. Holger Fock und Sabine Müller
1. Victor Jestin: Hitze
Gleich der erste Satz von „Hitze“ geht in die Vollen: „Oscar ist tot, weil ich ihn beim Sterben zugesehen habe, ohne mich zu rühren.“ Der Franzose Victor Jestin begleitet mit seinem Debütroman den jugendlichen Helden Léonard auf einen Campingplatz und erzählt von der Angst, die dieser Ferienort in Léonard auslöst.Die Anfangsdramatik schafft einen Kontrast, der die dunklen Seiten der Campingplatzsituation deutlich werden lässt: Der tragische Erzähler Léonard wacht inmitten von Feiern, Gelächter und Grillpartys auf. Manchmal weiß man nicht einmal mehr, warum er sich schlecht fühlt: Weil er den Selbstmord eines Jungen beobachtet und seine Leiche vergraben hat, oder einfach weil er auf diesem Campingplatz Urlaub macht. Gerade mal 150 Seiten benötigt Jestin für sein tiefenscharfes Psychogramm und das unterschwellige Bedrohungsszenario des Camplingplatzes. Und ganz nebenbei schreibt er auch noch die vielleicht besten schlechten Sexszenen. „Ehrlich gesagt hat es genügt, mich an meine katastrophalste Erfahrung zu erinnern und sie ohne allzu große Scham zu erzählen“, kommentiert der 25-Jährige im Interview mit kulturnews.
Kein & Aber 2020, 160 S., 20 Euro
Aus d. Franz. v. Sina de Malafosse