Die besten Bücher 2021: Empfehlungen für den Dezember
Omikron? – Ablenkung: Die besten Bücher im Dezember 2021 mit Édouard Louis, Stephan Thome, Anthony Doerr und Michelle Zauner.
Mit seinem autobiografischen Debütroman „Das Ende von Eddy“ avancierte Édouard Louis zum Star der französischen Literaturszene. Nach dem vor zwei Jahren erschienenen Buch „Wer hat meinen Vater umgebracht“ verfeinert er nun seinen Grenzgang zwischen Soziologie und Literatur, indem er auf die Biografie seiner Mutter blickt – und dafür einen überraschend zarten Ton wählt. Wird Édouard Louis mit „Die Freiheit einer Frau“ erwartungsgemäß unsere Liste der besten Bücher im Dezember 2021 anführen?
Antreten muss er gegen Michelle Zauner, die sich als Japanese Breakfast bereits auf mehreren Alben mit dem Krebstod ihrer Mutter auseinandergesetzt hat. Nun verhandelt sie ihre Trauer auf eine sehr persönliche, komplett patmosfreie und dadurch umso eindringlichere Weise in dem Memoir „Tränen im Asia-Markt“.
Einen Spitzenplatz auf unserer Liste der besten Bücher im Dezember 2021 wird ganz sicher auch Anthony Doerr belegen: Mit „Wolkenkuckucksland“ gelingt ihm eine ähnliche Großtat wie einst David Mitchell mit „Der Wolkenatlas“.
Auch zwei hochkarätige deutsche Autoren wollen auf unserer Liste der besten Bücher im Dezember 2021 möglichst ganz nach oben: Hannes Köhler ist mit seinem neuen Roman „Götterfunken“ am Start, und Stephan Thome begleitet in „Pflaumenregen“ eine taiwanische Familie durch ein traumatisches Jahrhundert.
Und schließlich ist da mit Mirthe van Doornik noch eine starke Debütantin aus den Niederlanden als Außenseiterin: In „Uns zusammenhalten“ erzählt sie, wie es ist, als Kind einer Alkoholikerin aufzuwachsen.
Die besten Bücher im Dezember 2021
6. Stephan Thome: Pflaumenregen
Aktuell zieht sich die Schlinge der Volksrepublik China um Taiwan wieder enger. Stephan Thome, deutscher Expat in Taipei, hätte sich für seinen neuen Roman keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können. Darin begleitet er eine taiwanische Familie durch ein traumatisches Jahrhundert: von der Zeit als japanische Kolonie zum Albtraum des 2. Weltkriegs, über die blutige Herrschaft der Kuomintang in die vergleichsweise stabile Gegenwart. Doch die Wunden sitzen tief, manche werden nie heilen. Thomes Chronik ist überraschend komplex und endet fast zu früh; manches dunkle Familiengeheimnis wird nur umrissen, die Lösung müssen wir uns selbst dazudenken. Ein spannender Blick zurück – und eine eindringliche Warnung für die Zukunft.
Suhrkamp, 2021, 526 S., 25 Euro
5. Hannes Köhler: Götterfunken
Im Barcelona der 70er werden drei Männer aus drei Ländern Teil einer anarchistischen Zelle, die gegen den Faschismus kämpft. Nach einem missglückten Überfall landet einer von ihnen im Gefängnis. Jahrzehnte später ist der Franzose Germain Politiker, der Deutsche Jürgen Unternehmer – und der Spanier Toni glaubt noch immer, dass ihn damals jemand verraten hat. Die Narration von Hannes Köhler springt nicht nur in der Zeit umher, sondern liefert uns auch wechselnde Perspektiven auf seine Figuren, schildert Germain aus der Sicht seiner Frau und Jürgen durch die Augen seines Sohnes. Bildhaft und lebendig erzählt „Götterfunken“ von Idealismus und Illusionen, aber auch davon, was es kostet, an seiner Menschlichkeit festzuhalten.
Ullstein, 2021, 368 S., 24 Euro
4. Mirthe van Doornik: Uns zusammenhalten
Nico und Kine haben drei Mütter: eine, die Essen kocht und Besserung verspricht. Eine, die ihnen beibringt, wie man sich Gehör verschafft und im Supermarkt stiehlt. Und eine, die nachts in ihr Zimmer kommt, lallend und weinend. „Uns zusammenhalten.“ erzählt auf manchmal schwer erträgliche Art, wie es ist, als Kind einer Alkoholikerin aufzuwachsen. Während Nico voller Zorn und Angst in Schweigen versinkt, treibt das Mitgefühl Kine immer wieder in die Arme ihrer Mutter zurück. Die Schwestern halten sich aneinander fest, doch mit den Jahren zeigt sich, dass auch das vielleicht nicht reicht. Das schmerzhafte Thema lockert Mirthe van Doornik mit zwei mutigen Protagonistinnen und schwarzem Humor auf, ohne je zu seicht oder versöhnlich zu werden.
Haymon, 2021, 320 S., 22,90 Euro
Aus d. Niederl. v. Andrea Kluitmann
Die besten Bücher im Dezember 2021 – TOP 3 –
3. Michelle Zauner: Tränen im Asia-Markt
Als Japanese Breakfast hat sie sich auf den Alben „Psychopomp“ und „Soft Sounds from another Planet“ mit dem Krebstod ihrer Mutter auseinandergesetzt. Doch Michelle Zauner wollte mehr erzählen, als im Songformat möglich ist: Mit einem Memoir verhandelt sie ihre Trauer nun auf eine sehr persönliche, komplett pathosfreie und dadurch umso eindringlichere Weise. Zudem beschreibt die 32-jährige US-Amerikanerin ihre Zerrissenheit, sich weder in den USA noch in Korea komplett dazugehörig zu fühlen. Und für die Fans von Japanese Breakfast ist „Tränen im Asia-Markt“ auch ein Booster: Bereits im Sommer ist hierzulande das parallel zu diesem Buch entstandene dritte Album „Jubilee“ erschienen. Mit diesem Versuch, wieder ins Leben zurückzufinden und Freude zuzulassen, ist Zauner eines der spektakulärsten Popalben des auslaufenden Jahres gelungen, dessen Intensität mit dem autobiografischen Bericht jetzt noch mal vervielfacht wird. Zudem steht „Tränen im Asia-Markt“ auf Platz drei unserer Liste der besten Bücher im Dezember 2021.
Ullstein, 2021, 320 S., 18 Euro
Aus d. Engl. v. Corinna Rodewald
2. Anthony Doerr: Wolkenkuckucksland
Mit der fiktiven Komödie namens „Wolkenkuckucksland“ als rotem Faden verbindet Anthony Doerr scheinbar unabhängige Geschichten und Figuren miteinander. Erst nach und nach wird deutlich, wie eine Entscheidung noch 500 Jahre später Konsequenzen haben kann. Das erinnert stellenweise an David Mitchells zeit- und raumumspannenden Metaroman „Der Wolkenatlas“, bei dem ebenfalls ein Kunstwerk im Zentrum steht. Doch wo Mitchell Tagebücher, Briefe und Protokolle angeführt und eine verhunzte Zukunftssprache erfunden hat, bleibt Doerr vergleichsweise konventionell: Vielleicht das Beeindruckendste an „Wolkenkuckucksland“ ist, wie es ihm gelingt, eine derart verschlungene Handlung jederzeit nachvollziehbar und spannend zu halten. Und das, obwohl sich auch hier mehrere Metaebenen übereinander legen.
C.H. Beck, 2021, 532 S., 25 Euro
Aus d. Engl. v. Werner Löcher-Lawrence
1. Édouard Louis Die Freiheit einer Frau
Seit dem autobiografischen Debütroman „Das Ende von Eddy“ aus dem Jahr 2014 verfeinert Édouard Louis seinen Grenzgang zwischen Soziologie und Literatur. War „Wer hat meinen Vater umgebracht“ bei aller Liebe vor allem eine wütende politische Anklage, die das gefühlskalte Verhalten des Vaters mit Blick auf das französische Sozialsystem erklärt, rekapituliert Louis mit einer zärtlicheren Sprache und viel Empathie das Leben der Mutter. „Die Freiheit einer Frau“ erzählt nicht nur von den falschen Kerlen, zu frühen Schwangerschaften, Armut und geplatzten Träumen, sondern auch einem gelungenen Ausbruch, der die Programmatik des Sohnes bestärkt, den Abgehängten mittels Literatur eine Stimme zu geben: „Denn jetzt weiß ich es, sie haben das, was sie Literatur nennen, gegen solche Leben und solche Körper wie den ihren, wie den meiner Mutter konstruiert. Denn jetzt weiß ich es, künftig über sie und ihr Leben zu schreiben, das heißt, gegen die Literatur anzuschreiben.“ Und damit führt Édouard Louis erwartungsgemäß unsere Liste der besten Bücher im Dezember 2021 an.
S. Fischer, 2021, 96 S., 17 Euro
Aus d. Franz. v. Hinrich Schmidt-Henkel