Zum Inhalt springen

Die besten Bücher 2021: Empfehlungen für den Februar

Die besten Bücher im Februar 2021

Auf Impfangebote warten wir noch vergeblich, doch die Literatur verkürzt die Wartezeit: Die besten Bücher im Februar 2021 mit T.C. Boyle, Haruki Murakami und Amy Waldman.

Die besten Bücher im Februar 2021: Das Virus wütet weiter, und auch Trump ist noch längst nicht überwunden – doch T.C. Boyle gelingt es, mit einem sprechenden Schimpansen dagegen zu halten. Unsere Verantwortung gegenüber der Natur und der nötige Respekt vor Tieren sind T.C. Boyles angestammte Themen, doch so eindringlich wie in „Sprich mit mir“ hat sie der 72-jährige Literaturpunk vielleicht nie zuvor verhandelt. Reicht das für die Spitzenposition auf unserer Liste mit den besten Büchern im Februar 2021? Konkurrenz könnte ihm Haruki Murakami machen. Auf seinen letzten Ziegelsteinroman lässt der Kondensator der Nullerjahre mit „Erste Person Singular“ acht nostalgische, fast schon klassische Erzählungen folgen. Chancen bei unserer Liste mit den besten Büchern im Februar 2021 hat auch Ulrike Sterblich. Mit „The German Girl“ blickt sie auf das New York der 60er-Jahre und fokussiert hier vor allem die Welt der New-Are-Kurpfuscherei. Außerdem ist Amy Waldman zurück: Nach „Der amerikanische Architekt“ reist sie nun mit „Das ferne Feuer“ nach Afghanistan. Oder macht David Schalko auf unserer Liste mit den besten Büchern im Februar 2021 das Rennen? In „Bad Regina“ zelebriert er den Untergang Europas vor einer Bergkulisse.

Die besten Bücher im Februar 2021

6. Mirko Bonné: Seeland Schneeland

Die besten Bücher im Februar 2021: „Seeland Schneeland“ von Mirko BonnéDer Enge entfliehen: Das Grundmotiv in Mirko Bonnés neuem Roman „Seeland Schneeland“ zieht sich durch die knapp 450 Seiten lange Handlung, die im Jahr 1921 fast durchweg ihren Ausgang in Südwales nimmt. Merce Blackboro war dem Ersten Weltkrieg entflohen, in dem er an Shackletons Endurance-Expedition an den Südpol teilgenommen hatte. Ihr Ziel hatte diese Expedition so grundlegend verfehlt, wie die Bemühungen des dafür bis heute berühmten Expeditionsleiters Shackleton zur Rettung ohne Ausnahme all seiner Männer weltweit für Gesprächsstoff sorgten. Doch nicht nur Merce kann nicht mehr heimisch werden. Die von ihm geliebte Ennid Muldoon hat ihren Mann im Weltkrieg verloren, weshalb sie nichts mehr in Wales hält. Als sie ganz plötzlich nach Amerika abreist, stellt Ennid nicht nur das Gefühlsleben von Merce auf den Kopf. Mirko Bonné skizziert in „Seeland Schneeland“ Charaktere, die aufbrechen und alles dafür tun, um ihre Lebensziele zu erreichen. Nicht nur der Erste Weltkrieg hinterließ Lücken in den Familien und Traumata in den Seelen, die dem Krieg unmittelbar folgende Spanische Grippe riss Schneisen des Todes in jede Familie. Mit „Seeland Schneeland“ schafft es Mirko Bonné auf unsere Liste der besten Bücher im Februar 2021.

Schöffling, 2021, 448 S., 24 Euro

5. Ulrike Sterblich: The German Girl

Buchcover „The German Girl“ von Ulrike Sterblich1966 besangen die Beatles mit „Dr. Robert“ das Phänomen des Dr. Feelgood: ein Arzt, der darauf spezialisiert ist, den Reichen und Schönen das Leben angenehmer zu machen. Als Vorbild soll angeblich der bekannte Doktor Robert Freymann gedient haben. In „The German Girl“ von Ulrike Sterblich kommt auch Freymann vor, doch eine weit größere Rolle spielt der ebenfalls reale Max Jacobson: wie Freymann ein deutscher Exilant, der im New York der 60er-Jahre Stars von Elvis Presley bis Marilyn Monroe behandelt hat und sogar John F. Kennedy Injektionen verpassen durfte. In diese Spritzen hat er magnetisierte Steine ebenso wie menschliche Plazenta gemischt – die geheime Hauptzutat allerdings war Methamphetamin. In diese Welt der New-Age-Kurpfuscherei lässt Sterblich ihre Heldin Mona stolpern. Wie die Ärzte ist sie aus Deutschland nach New York gekommen, möchte aber Model werden – auch wenn die Aufträge meistens ausbleiben. Also pflegt sie ihren zugeflogenen Kakadu, geht feiern und schwankt zwischen zwei Männern: dem wunderschönen, aber unnahbaren Adam und dem bemühten Sidney. Die wahnwitzigen medizinischen Experimente, denen sich die High Society aussetzt, erleben wir vor allem durch Monas sporadische Praxisbesuche; Jacobsons schlussendlicher Fall wird in eingestreuten Vorausblenden geschildert. Doch irgendwie gelingt es der Autorin, dass uns Monas Alltag irgendwann genauso fesselt wie der medizinische Krimi im Hintergrund – keine Selbstverständlichkeit. Die Belohnung: Ein Platz auf unserer Liste der besten Bücher im Februar 2021.

Rowohlt Hundert Augen, 2021, 384 S., 20 Euro

4. Amy Waldman: Das ferne Feuer

die besten Bücher im Februar 2021: „Das ferne Feuer“ von Amy WaldmanUSA, 2008: Als Kind afghanischer Auswander*innen lebt Parvin zwischen den Welten. Doch ihre erste Reise ins Land der Eltern macht die junge Berkeley-Studentin nicht aus familiären Gründen, sondern wegen eines Buches: „Mutter Afghanistan“ des Arztes Gideon Crane hat die Herzen der Nation im Sturm erobert. Darin schildert Crane, wie er in einem kleinen Dorf eine Mutter im Kindbett sterben sieht, weil er ihr aus religiösen Gründen nicht hatte helfen dürfen. Zur Wiedergutmachung hat er eine Klinik gebaut, für die Parvin sich engagieren will. Doch ihr anfänglicher Idealismus bröckelt schon auf dem Weg ins Dorf. Die Verschlossenheit und das Misstrauen der Bewohner sind eine Sache, doch dann stellt sich auch noch heraus, dass Crane womöglich nicht der strahlende Held ist, als der er sich ausgibt. Aber da ist es längst zu spät: Auch die U.S. Army hat sich von seinem Buch inspirieren lassen … Amy Waldman erzählt eine beklemmende Geschichte über Gutgläubigkeit, Identität, Kolonialismus und kulturelle Schranken – und schafft es damit auf Platz vier unserer Liste mit den besten Büchern im Februar 2021.

Schöffling, 2021, 496 S., 26 Euro

Aus d. Engl. v. Brigitte Walitzek

3. David Schalko: Bad Regina

Buchcover „Bad Regina“ von David SchalkoÜber den Untergang Europas vor Bergkulisse hat schon Christian Kracht in „Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten“ fantasiert. David Schalkos „Bad Regina“ spielt allerdings nicht in einem Paralleluniversum, und seine Helden – wenn man sie so nennen kann – sind ganz normale Österreicher. Dass es Schalko trotzdem gelingt, eine zutiefst gespenstische Atmosphäre heraufzubeschwören, liegt weniger an Stil oder Sprache, sondern vielmehr an dem so grotesken wie plausiblen Szenario, das er entwirft: Der ehemalige Kurort Bad Regina liegt tief in den Alpen vergraben. Heute ist die Einwohnerzahl im zweistelligen Bereich, die Häuser stehen leer, die Touristen bleiben weg. Einziges Anzeichen der Außenwelt ist der chinesische Investor Chen, der ein Gebäude nach dem anderen aufkauft. Eines Tages beschließt Othmar, alkoholabhängiger Betreiber eines lang zugesperrten Clubs, der Sache auf den Grund zu gehen – und Chen für immer loszuwerden. Dabei sollen ihm die wenigen Verbliebenen helfen: der Wirt, in dessen Kneipe der einzige Geflüchtete im Dorf Stammgast ist, der Adelige in seinem leeren Schloss, der korrupte Bürgermeister. Sie alle sind alt, fett, dumm und faschistisch, und ihr vorhersehbares Scheitern ist bei aller Bitterkeit oft sehr lustig. So wird das kleine Bad Regina zur Allegorie für Österreich und für Europa. Und die Thomas-Bernhard-Zitate legt Schalko seinen Figuren bequemerweise gleich selbst in den Mund.

Kiepenheuer & Witsch, 2021, 400 S., 24 Euro

2. Haruki Murakami: Erste Person Singular

Die besten Bücher im Februar 2021: „Erste Person Singular“ von Haruki Murakami„Die Geschichte handelt von einem alten Affen, der sprechen kann. Er lebt in einer Pension in seinem Onsen in der Präfektur Gunma, wo er den Gästen den Rücken wäscht. Er trinkt gern kaltes Bier, kann sich nur in menschliche Frauen verlieben und hat deshalb einige Namen gestohlen.“ Der Ich-Erzähler in dieser Geschichte von Haruki Murakami erinnert sich an eine fünf Jahre zurückliegende Begegnung – ist sich aber nicht sicher, ob er den sprechenden Affen und dessen Lebensgeschichte nur geträumt hat oder in dem heißen Thermalbad einer Wahnvorstellung erlegen ist. Doch dann trifft er sich in Tokio mit einer jungen Redakteurin, die sich plötzlich nicht mehr an ihren eigenen Namen erinnern kann … Die Erzählung „Bekenntnis des Affen von Shinagawa“ ist nicht unbedingt repräsentativ für die insgesamt acht Geschichten von „Erste Person Singular“. Meist offenbart sich das Irreale in den fast schon klassischen und mit nostalgischen Jugenderinnerungen durchsetzten Erzählungen zaghafter. Doch ob es um die Beatles, ein fiktives Album von Charlie Parker oder Baseball geht, bei Haruki Murakami wirken all seine Texte lange nach, auch jener mit dem Affen: Was der Primat über die untrennbare Verschmelzung von vollkommener Liebe und vollkommener Einsamkeit berichtet, können wohl die meisten Leser*innen mit Blick auf die eigene Biografie bestätigen. Nur an T.C. Boyle kam Murakami auf unserer Liste der besten Bücher im Februar 2021 nicht vorbei.

Dumont, 2021, 240 S., 23 Euro

Aus d. Japan. v. Ursula Gräfe

1. T.C. Boyle: Sprich mit mir

Buchcover „Sprich mit mir“ von T.C. BoyleAuf seiner Homepage war er entlarvender Kommentator der US-Wahl bis hin zum Sturm auf das Kapitol, und er hat während des Lockdowns und der schlimmen Waldbrände in seiner kalifornischen Heimat an dem neuen Roman gearbeitet. Da wirkt es fast ein bisschen wie eine dringend notwendige Realitätsflucht, wenn T.C. Boyle mit „Sprich mit mir“ in die 70er- und 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückreist und die in jener Zeit so populären Experimente mit Tieren thematisiert. Der Psychologie-Dozent Guy Schermerhorn zieht den jungen Schimpansen Sam wie einen Menschen auf und bringt ihm Gebärdensprache bei. Nachdem die schüchterne Studentin Aimee einen Fernsehauftritt von Guy und Sam sieht, bewirbt sie sich bei dem Forschungsprojekt als Sams Babysitter – und zwischen ihr und dem Primaten funkt es sofort. Aimee wird Sams Bezugsperson, sie schläft mit ihm in einem Bett, liest ihm vor und belohnt ihn mit seiner Lieblingspizza. Dass Aimee auch eine Affäre mit Guy beginnt, erweist sich zunächst nur als geringes Problem. Doch zur Zerreißprobe kommt es, als die Stimmung in der Wissenschaft kippt und angezweifelt wird, dass Schimpansen eine Sprache entwickeln und Gefühle oder gar eine Seele haben. Sams Besitzer beendet das Experiment, er fordert den Schimpansen zurück und sperrt ihn in einen Käfig, um ihn für Tierversuche zu nutzen. Doch während Sam für Guy nur eine verpasste Karriereoption ist, befreit Aimee ihren Vertrauten und taucht mit Sam in einem Trailerpark in Arizona unter. Unsere Verantwortung gegenüber der Natur und der nötige Respekt vor Tieren sind T.C. Boyles angestammte Themen – doch so eindringlich wie in „Sprich mit mir“ hat sie der 72-jährige Literaturpunk vielleicht nie zuvor verhandelt. Mit vielen tragischen Momenten baut Boyle eine kaum auszuhaltende Spannung auf, er flankiert den Plot mit Humor, Zitaten und Breitseiten gegenüber Wissenschaft und Medien, und mit viel Empathie blickt er in dem aus verschiedenen Perspektiven erzählten Roman auch immer wieder in Sams Kopf, wobei er in dessen Texten jene Wörter durch Großschreibung markiert, für die Sam eine Gebärde kennt. Und man muss nur an die momentanen Schachereien in Sachen Impfstoff denken – schon legt sich eine gegenwartsdiagnostische Folie über das vermeintlich eskapistische Abenteuer.

Wir verlosen zehn Exemplare des neuen Romans von T.C. Boyle

Hanser, 2021, 352 S., 25 Euro

Aus d. Engl. v. Dirk van Gunsteren

 

Beitrag teilen: