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Die besten Bücher 2021: Empfehlungen für den Juli

Buchcover: Die besten Bücher im Juli 2021

Perfekte Ablenkung von Delta: Die besten Bücher im Juli 2021 mit Julia Rothenburg, Leïla Slimani und Anna Brüggemann.

In Frankreich ist Leïla Slimani ein Superstar, und auch ihr neuester Roman hat dort Begeisterungsstürme ausgelöst. Aber wie weit kommt „Das Land der Anderen“ auf unserer Liste der besten Bücher im Juli 2021? Zumal da ja auch der dritte Roman von Julia Rothenburg ist: Um vom urbanen Existenzkampf zu erzählen, zieht sie mit ihrem neuen Buch „Mond über Beton“ in den wohl hässlichsten Bauklotz Berlin. Rothenburg lässt nicht nur mehrere Bewohner*innen dieses Gebäudes namens Neues Zentrum Kreuzberg zu Wort kommen, auch der Betonklotz selbst tritt als Figur auf. Und auch Anna Brüggemann könnte mit ihrem Debüt auf unserer Liste der besten Bücher im Juli 2021 ganz vorn landen. Die bislang als Schauspielerin und Drehbuchautorin erfolgreiche Brüggemann schlüpft für „Trennungsroman“ als unparteiische Beobachterin abwechselnd in die Gedanken- und Gefühlswelt ihrer Protagonist*innen. Zudem nehmen zwei weitere Romane die Spitzenposition unserer Liste der besten Bücher im Juli 2021 in den Blick: „Aber wir lieben dich“ von Afonso Reis Cabral und „Alles glänzt“ von Jacqueline Woodson.

5. Leïla Slimani: Das Land der Anderen

Die besten Bücher im Juli 2021: Buchcover „Das Land der Anderen“ von Leïla SlimaniIn Frankreich ist Leïla Slimani ein Superstar, und auch ihr neuester Roman hat dort für Begeisterungsstürme gesorgt. Vielleicht trifft Slimani eine bestimmte französische Sensibilität – das würde erklären, warum beim Lesen von „Das Land der Anderen“ der Funke nie komplett überspringt. Nach dem Zweiten Weltkrieg ziehen die Französin Mathilde und der marokkanische Soldat Amine auf die Farm seines Vaters in der Nähe von Meknès. Die mutige Mathilde glaubt daran, dass ihre Liebe die Widrigkeiten der Fremde überdauern wird. Doch weißer Rassismus, arabischer Sexismus und der marokkanische Unabhängigkeitskampf stellen die Familie auf immer härtere Proben. Mit viel Empathie lässt uns Slimani an den Gedanken von Mathilde und Anime, von ihren Kindern und Nachbarn teilhaben und legt offen, dass eigentlich alle Menschen unzufrieden sind. Die Autorin hat sich von der Geschichte ihrer Großeltern inspirieren lassen, was diesen erfrischend nüchternen Blick erklären dürfte. Doch trotz dreidimensionaler Figuren und fesselnder Handlung fehlt das gewisse Je ne sais quoi, das „Das Land der Anderen“ zum Meisterwerk machen würde.

Luchterhand, 2021, 384 S., 22 Euro

Aus d. Franz. v. Amelie Thoma

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4. Anna Brüggemann: Trennungsroman

Buchcover „Trennungsroman“ von Anna BrüggemannEs beginnt mit „Noch 31 Tage“, es endet mit „14 Wochen und 4 Tage danach“. Und irgendwo dazwischen passiert das, was Anna Brüggemanns Debüt zu einem „Trennungsroman“ macht: Nach acht gemeinsamen Jahren geht die Beziehung von Eva und Thomas in die Brüche. Beide sind ratlos: Wie kann es sein, dass zwischen ihnen nichts mehr flimmert und flirrt, dass alles nur noch anstrengend, uneindeutig und verkrampft ist? Dass das, was für immer sein sollte, nun nicht mehr funktioniert – obwohl doch gar nichts Konkretes vorgefallen ist? Gut, Thomas hat mit seiner Kollegin Rose geschlafen, die so ganz anders ist als die strukturierte und umsorgende Eva. Aber selbst Eva sieht, bei aller Verletzung, dass dieses Fremdgehen nur Symptom ist, es krankt woanders. Nur wo? Warum? Und wann hat es angefangen?

Um diese Fragen auszuloten, schlüpft Anna Brüggemann, die sich bislang als Schauspielerin und Drehbuchautorin einen Namen gemacht hat, als unparteiische Beobachterin abwechselnd in die Gedanken- und Gefühlswelt ihrer Protagonist*innen. Auf eine sehr liebevolle und zugleich schonungslos ehrliche Art zeichnet sie sowohl Thomas als auch Eva als ambivalente Figuren; hier gibt es keine klare Rollenverteilung, nicht den oder die Bösen und das Opfer. Indem Brüggemann neben den beiden Anfang Dreißigjährigen auch deren Berliner Freundeskreis in den Blick nimmt, weitet sie die Perspektive, und en passant skizziert der „Trennungsroman“ eine ganze Generation privilegierter Großstädter*innen und deren Themen: Man gründet Familien oder feiert das Tinder-regulierte Singledasein, man kauft Wohnungen, man hadert im Job, mit dem Selbstbild und den Erwartungen der Elterngeneration. Die Ansprüche sind hoch. Und so ahnt man am Ende des Romans, „14 Wochen und 4 Tage danach“, wie aus einem kleinen Knacks in der Beziehung ein unüberwindbarer Graben werden konnte. Es ist logisch, es war unabwendbar. Es ist trotzdem: traurig.

Ullstein, 2021, 416 S., 20 Euro

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3. Jacqueline Woodson: Alles glänzt

Buchcover „Alles glänzt“ von Jacqueline WoodsonAbwesende Väter bevölkern unzählige Bücher, Filme und Songtexte. Aber Mütter, die ihre Kinder zurücklassen, kommen selten vor – vielleicht, weil wir auch als Gesellschaft den Vätern vergeben, den Müttern aber nicht. Jacqueline Woodson hat nun in „Alles glänzt“ diese unterrepräsentierte Konstellation zum Zentrum einer Familienchronik gemacht: Iris und Aubrey sind schon als Teenager Eltern geworden – zu früh, insbesondere für Iris. Sobald ihre Tochter Melody abgestillt war, ist sie zur Uni gegangen und hat Aubrey zurückgelassen. Jetzt ist Melody 16 und konfrontiert ihre Mutter. Doch die Aussprache ist für Woodson nur ein Anstoß: Sie springt in der Zeit umher, erzählt vielstimmig von der Liebe zwischen Melodys Eltern, von Iris’ Flucht ans Oberlin College und ihren Gewissenskonflikten, aber auch von Großeltern und Ahnen. Einzelne schnappschussartige Szenen zeichnen mosaikartig das Bild einer Schwarzen Familie in den USA, die durch die Jahrzehnte mit Rassismus, Armut, Trauer und Krankheit kämpft. Weil Woodson den Fluss der Zeit auflöst, überrascht allerdings das Ende in seiner Abruptheit; es fühlt sich an, als ob Woodson noch ewig so weitererzählen könnte, eine schmerzhaft deutliche Szene an der nächsten. Wenn es daher eine Sache an „Alles glänzt“ auszusetzen gibt, dann, dass der Roman schlicht zu kurz ist. Aber das ist das Leben ja auch.

Piper, 2021, 208 S., 22 Euro

Aus d. Engl. v. Yvonne Eglinger

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2. Afonso Reis Cabral: Aber wir lieben dich

Buchcover „Aber wir lieben dich“ von Afonso Reis Cabral„Was mich aber wirklich wurmte, war, zu erfahren, ob das, was mich an der Sache eigentlich störte, vielleicht Liebe war, von der ich dachte, man könne sie höchstens für Mädchen wie Alisa empfinden, deren Körper ich heiß begehrte, aber auf keinen Fall Freunden wie Samuel gegenüber und erst recht nicht zu Gestalten wie Gi.“ Afonso Reis Cabrals Roman basiert auf einem Verbrechen, das Portugal im Jahre 2006 erschüttert hat: Mehrere Jungs aus einem Heim in Porto prügeln eine schwerkranke brasilianische Transsexuelle fast zu Tode und werfen den noch lebenden Körper in das Wasserloch einer Bauruine. Indem Cabral die Geschehnisse aus der Perspektive des 12-jährigen Rafa nachzeichet, der die obdachlose Gi als erster entdeckt, sich mit ihr anfreundet und nach und nach seine Freunde einweiht, zeichnet er ein eindringliches Psychogramm, bei dem hinter dem Schutzschild aus Gewalt, der Eifersucht und dem Konkurrenzkampf der Jungen untereinander immer wieder auch die Sehnsucht nach Verantwortung und Fürsorge durchscheint.

Hanser, 2021, 300 S., 24 Euro

Aus d. Portugal. v. Michael Kegler

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1. Julia Rothenburg: Mond über Beton

Die besten Bücher im Juli 2021: Buchcover „Mond über Beton“ von Julia Rothenburg„Ich bin in Kreuzberg aufgewachsen, allerdings in der Gegend um den Südstern. So richtig ging meine Beschäftigung erst los, als ich nach dem Studium in Freiburg in die Nähe vom Kotti gezogen bin“, antwortet Julia Rothenburg im Interview mit kulturnews auf die Frage, warum sich in ihrem dritten Roman alles um dieses Gebäude namens Neues Zentrum Kreuzberg dreht und der Betonklotz sogar selbst als Figur auftritt. „In der Zeit gab es viele Zeitungsartikel über diesen Ort als Drogenumschlagsplatz und Kriminalitätsbrennpunkt – und immer hat in dieser Berichterstattung auch das Haus eine große Rolle gespielt. Ich wollte wissen, wie die Wahrnehmung und des Ruf des Platzes zustande kommen und wie dieses Haus mit dem Platz in Interaktion steht.“ Mit „Mond über Beton“ ist es Julia Rothenburg gelungen, komplett klischeefrei vom urbanen Existenzkampf zu erzählen. Da sind Figuren wie die verarmte und einsame Rentnerin Stanca aus Rumänien, der Gemüsehändler Mutlu oder dessen elf und zwölf Jahre alten Söhne, die bereits als Drogenkuriere rekrutiert werden. Rothenburg lässt sie sprechen, ohne auf sie herabzuschauen oder sie zu Schablonen werden zu lassen.

Frankfurter Verlagsanstalt, 2021, 320 S., 22 Euro

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