Die besten Bücher 2021: Empfehlungen für den Juni
Wer will, bekommt bei uns schon im Juni ein Lektüre-Angebot: Die besten Bücher im Juni 2021 mit Steffen Kopetzky, Fatima Daas und Lisa Krusche.
Aktueller geht es kaum: Eva Lapido hat einen Roman über die desaströse neoliberale Wohnungspolitik Berlins geschrieben. Schafft sie es mit „Räuber“ gar bis an die Spitze unserer Liste der besten Bücher im Juni 2021? ein starker Konkurrent ist Timon Karl Kaleyta, der mit „Die Geschichte eines einfachen Mannes“ einen modernen Schelmenroman vorlegt, der gleichzeitig ein Abgesang auf dieses Genre ist. Oder führt Steffen Kopetzky unsere Liste der besten Bücher im Juni 2021 an? Mit „Monschau“ stellt er nach „Propaganda“ ein zweites Mal den Wehrmachtsarzt Günter Stüttgen ins Zentrum einer Romanhandlung. Auch Lisa Krusche hat gute Chancen auf den Monatssieg, denn mit ihrem Debütroman „Unsere anarchistischen Herzen“ kommt die deutschsprachige Literatur endlich in der Gegenwart an. Und natürlich hat auch Fatima Daas das Zeug, um unsere Liste der besten Bücher im Juni 2021 anzuführen. Ihr Roman „Ich heiße Fatima“ ist das Buch der Stunde.
Die besten Bücher im Juni 2021
7. Eva Lapido: Räuber
Ein Buch über die desaströse neoliberale Wohnungspolitik Berlins könnte nicht aktueller sein. In „Räuber“ fliegen der Bauarbeiter Olli und seine alte Mutter aus ihrer Sozialwohnung, weil die Immobilie zu wertvoll geworden ist. Das will Olli nicht auf sich sitzen lassen und heckt mit der Journalistin Amelie einen Racheplan aus, der sich auf einen ehemaligen Finanzsenator konzentriert. Dabei sprühen zwischen dem ungleichen Paar auch privat die Funken. Ladipo, die schon für FAZ und Welt geschrieben hat, liefert ihre Fakten mit journalistischer Genauigkeit. Figurenzeichnung und Stil bleiben dagegen auf der Strecke, sodass Ollis Schicksal emotional eher wenig berührt. Für ein kühles Gesellschaftsporträt wiederum verfängt sich Ladipo zu sehr in der zentralen Liebesgeschichte. So geht „Räuber“ trotz der Brisanz des Themas bei über 500 Seiten die Luft aus – und der Kapitalismus kommt wieder einmal unversehrt davon.
Blessing, 2021, 544 S., 24 Euro
„Räuber“ von Eva Lapido bei bücher.de bestellen
6. Katja Kettu: Die Unbezwingbare
Als Tochter einer Ojibwe und eines Finnen ist Lempi zwischen den Welten aufgewachsen: Sowohl in der Stadt als auch auf dem Reservat in Minnesota war sie eine Außenseiterin. Ihre trotz allem glückliche Kindheit ist geendet, als vor über vierzig Jahren ihre Mutter Rose spurlos verschwunden ist und den Vater Ettu im Wahnsinn zurückgelassen hat. Jetzt will Ettu ein entführtes weißes Mädchen gesehen haben, und Lempi kehrt zurück. Dabei wird sie mit dem Erbe ihrer Geschichte und dem Geheimnis hinter dem Verschwinden ihrer Mutter konfrontiert. Dass Rose sich in einen Wolf verwandelt hat, um eine schreckliche Tat zu vollbringen, ist sicher nur ein Traum gewesen. Oder? Die Autorin Katja Kettu ist Finnin, hat für „Die Unbezwingbare“ allerdings viel über das Volk der Ojibwe und dessen Beziehung zu den finnischen Einwanderer*innen recherchiert. So kann sie Lempis und Roses Welt voller magischer Rituale und Naturgeister mit einer poetischen Sprache ausmalen, die nie krampfhaft oder respektlos wirkt. Und eine generationenübergreifende Geschichte über die Tragik zweier Frauen erzählen, die gegen Rassismus und patriarchale Gewalt rebellieren.
Ecco, 2021, 320 S., 22 Euro
Aus d. Finn. v. Angela Plöger
„Die Unbezwingbare“ bei bücher.de bestellen
5. Véronique Ovaldé: Niemand hat Angst vor Leuten, die lächeln
Lange Zeit wissen wir nicht, was wir denken oder fühlen sollen. Véronique Ovaldé enthüllt die Geheimnisse von „Niemand hat Angst vor Leuten, die lächeln“ nur sehr gemächlich – und dass sich die Handlung auf zwei Zeitebenen abspielt, macht es nicht einfacher. In der Gegenwart reist die alleinerziehende Mutter Gloria überstürzt in das Haus ihrer Großmutter im Elsass, die beiden Töchter müssen wohl oder übel mit. Wovor flieht die Familie? Es dauert, bis wir es erfahren. Bis dahin erzählt Ovaldé von Glorias Jugend, ihrem Aufwachsen an der Côte d’Azur, ihrer Liebe zu dem Schmuggler Samuel – wo ist der eigentlich? Auch das bleibt lange unklar. Mit seinen dunklen Ecken und unvorhersehbaren Wendungen ist Ovaldés Roman strukturiert wie ein Mystery-Thriller, liest sich aber viel leichter: Die Erzählerin schildert Glorias Geschichte mit bunter Poesie und konspirativer Vertrautheit, als würde sie nicht nur die Figuren, sondern auch die Leser*innen schon ewig kennen. Wenn sich das Puzzle schließlich zusammensetzt und sich der Roman als düstere Auseinandersetzung mit Patriarchat und Obsession entpuppt, ist die Wirkung darum umso stärker.
Frankfurter Verlagsanstalt, 2021, 224 S., 22 Euro
Aus d. Franz. v. Sina de Malafosse
„Niemand hat Angst vor Leuten, die lächeln“ bei bücher.de bestellen
4. Steffen Kopetzky: Monschau
Als Steffen Kopetzky 2019 seinen Roman „Propaganda“ veröffentlichte, handelte er sich mit der zentralen Heldenfigur des Wehrmachtsarztes Günter Stüttgen den Vorwurf ein, die reaktionäre Lesart von einer im Kern doch guten Wehrmacht zumindest zu dulden. In seinem neuen Roman „Monschau“ stellt Kopetzky den Arzt und Wissenschaftler Stüttgen historisch korrekt schon wieder ins Zentrum der Handlung. 1962 schleppt ein Mitarbeiter der Rither-Werke die Pocken in den Eifel-Kreis Monschau. Stüttgen muss aus Düsseldorf anreisen und erkennt die Situation sofort: Er verhängt Quarantänen mitten im Karneval, veranlasst Untersuchungen der Kranken und Toten nur in Schutzmontur und lässt die Bevölkerung durchimpfen. Kopetzkys zweiter Held des Romans ist der griechische Arzt Nikolaos Spyridakis, der die Untersuchungen vor Ort durchführen muss. Mit ihm wird „Monschau“ nebenbei zum Liebesroman, während Altnazis auf Droge in einem weiteren Handlungsstrang agieren. „Monschau“ ist unterhaltsam geschrieben, die Handlungslücken vor allem auf der Zielgeraden zeigen aber, dass Kopetzky den Roman unbedingt noch zur Hochzeit von Cronona veröffentlichen wollte.
Rowohlt Berlin, 2021, 352 S., 22 Euro
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3. Timon Karl Kaleyta: Die Geschichte eines einfachen Mannes
Timon Karl Kaleytas „Die Geschichte eines einfachen Mannes“ ist ein moderner Schelmenroman – und gleichzeitig ein Abgesang auf dieses Genre. Denn dass ein Arbeiterkind dieselben Erfolgschancen hat wie Akademikersprösslinge, kann heute nur noch ein weltfremder Fantast glauben. Und so trifft der Ich-Erzähler eine katastrophale Entscheidung nach der anderen, bleibt aber jederzeit von seinen Talenten und seinem Glück überzeugt. Viele Stationen seines Lebens sind von Kaleytas eigener Biografie inspiriert: Wie der Autor mit seiner Band Susanne Blech feiert auch der Protagonist zumindest zwischenzeitlich unverhoffte Erfolge als Musiker. Augenzwinkernd legt Kaleyta seinen Figuren dazu hoffnungslos veraltete Wörter in den Mund, lässt sie ohne jegliche Ironie „frohlocken“ und „verdrießen“. Das ist verdammt lustig – und zugleich eine düstere Satire über Klasse.
Piper, 2021, 320 S., 20 Euro
„Die Geschichte eines einfachen Mannes“ bei bücher.de bestellen
2. Fatima Daas: Die jüngste Tochter
Wieviel an Fatima Daas’ Debüt „Die jüngste Tochter“ wirklich Roman ist, ist schwer zu sagen. Ihre Ich-Erzählerin hat denselben Namen, dieselbe Herkunft, dieselbe Sexualität wie die Autorin. Wäre die Form konventioneller, würde auf dem Umschlag wohl „Biografie“ stehen. Doch es ist gerade die Form, die an diesem Buch so fasziniert: Die Kapitel sind wenige Seiten lange Fragmente, jedes beginnt mit den Worten „Ich heiße Fatima“. Das erinnert an Verse oder an Suren aus dem Koran – sicherlich kein Zufall. Daas, als jüngste Tochter algerischer Eltern in Paris geboren, kämpft mit den Erwartungen ihrer Eltern, Schwestern und Geliebten und nicht zuletzt mit ihrem Glauben: Wie verortet man sich als lesbische Frau in einer Religion, für die man noch nicht einmal existiert? Als Befreiung findet Daas schließlich das Schreiben – den überzeugenden Beweis halten wir Leser*innen in der Hand.
Claassen, 2021, 192 S., 20 Euro
Aus d. Franz. v. Sina de Malafosse
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1. Lisa Krusche: Unsere anarchistischen Herzen
Nach dem psychischen Zusammenbruch ihres Künstler-Vaters muss die 17-jährige Charles von Berlin in eine außerhalb von Hildesheim gelegene Hippie-Kommune ziehen. Hier trifft sie auf die gleichaltrige Gwen, die unter ihren superreichen, gefühlskalten Eltern leidet und sich selbst verletzt, indem sie sich richtig heftig prügelt oder sich über Tinder mit schmierigen Typen trifft, denen sie nach den Dates Geld klaut. Lisa Krusche erzählt die Geschichte von „Unsere anarchistischen Herzen“ abwechselnd aus der Perspektive ihrer beiden Protagonistinnen, und sie arbeitet mit einer gewissen Künstlichkeit, indem sie etwa Übersetzungen von Songtexten und Twitter-Poesie einbaut, die sich durch Kleinschreibung vom restlichen Text absetzt. „ Mir geht es nicht um einen realistischen Eins-zu-eins-Abdruck der Welt“, sagt Lisa Krusche im Interview mit kulturnews. „Wenn ich darauf aus wäre, würde ich wohl mit einem ganz anderen Medium arbeiten. Diese Künstlichkeit interessiert mich, und finde es auch superspannend, diese zweite sprachliche Ebene da mit reinzunehmen. Diese Person twittert, und daraus ergibt sich eine eigene Metaebene im Sprechen über das eigene Leben.“ Mit „Unsere anarchistischen Herzen“ kommt die deutschsprachige Literatur endlich in der Gegenwart an – und Lisa Krusches Debütroman führt somit natürlich auch unsere Liste der besten Bücher im Juni 2021 an.
S. Fischer, 2021, 446 S., 23 Euro
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