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Die besten Bücher 2022: Empfehlungen für den März

Die besten Bücher im März 2022: Cover von Fatma Aydemir und Percival Everett sowie ein paar Ausgaben kulturnews

Wer in Leipzig und Köln mitreden will: Die besten Bücher im März 2022 mit Fatma Aydemir, Hendrik Bolz und Katerina Poladjan.

Das Suchen nach Identität und Heimat ist aktuell eines der beliebtesten Romanthemen. Mit „Ursprung“ fügt Eva Tind dem Genre ein weiteres Buch hinzu, das jedoch bald in unerwartete Richtungen aufbricht. Ob sie so auch die Spitzenposition auf unserer Liste der besten Bücher im März 2022 erobert? Konkurrenz wird ihr ganz sicher Fatma Aydemir machen. Nach ihrem Debüt „Ellbogen“ legt sie nun mit „Dschinns“ einen spektakulären Familienroman vor. Außerdem ist da noch Percival Everett: Sein Roman „Erschütterung“ zählte zu den Finalisten des Pulitzer-Preises 2021 – und jetzt stürmt er sogar unsere Liste der besten Bücher im März 2022. Oder macht der Testo das Rennen? In „Nullerjahre“ schildert Hendrik Bolz vom HipHop-Duo Zugezogen Maskulin seine Jugend in Stralsund zwischen Gewalt und Rechtsextremismus – und geht dabei erstaunlich offen mit der eigenen Schuld um. Bei unserer Liste der besten Bücher im März 2022 sollte maus aber auch Asako Yuzuki und Katerina Poladjan im Blick behalten. Yuzuki beschreibt in „Butter“ ganz poetisch die Kochkünste einer Serienmörderin und verhandelt zugleich Frauenbilder in der japanischen Gesellschaft. Poladjan erzählt in „Zukunftsmusik“ vom 11. März 1985 in Moskau und liefert damit eine spannende Folie für die traurige Gegenwart.

Die besten Bücher im März 2022

6. Eva Tind: Ursprung

die besten Bücher im März 2022: „Ursprung“ von Eva TindDie drei Menschen, die hier nach sich selbst suchen, sind eine Familie – zumindest nominell: Kai, der als Kind aus Korea nach Dänemark adoptiert wurde, die deutlich ältere Künstlerin Miriam sowie die gemeinsame Tochter Sui, die Kai allein großgezogen hat. Nun ist Sui 18 und zieht aus, was Kai in eine Krise stürzt, die er mit einer Reise zu einem Yoga-Retreat nach Indien kurieren will. Sui besucht erst Miriam, die im Wald an einem Werk arbeitet, das ihr Grab werden soll, und fliegt dann auf den Spuren ihrer Großeltern nach Korea. Ungewohnt sind die Wärme, mit der Eva Tind alle ihre Figuren zeichnet, sowie die mystischen Untertöne.

mare, 2022, 320 S., 25 Euro

Aus d. Engl. v. Ursel Allenstein

5. Percival Everett: Erschütterung

Buchcover „Erschütterung“ von Percival EverettUS-Autor Percival Everett zählte zu den Finalisten des Pulitzer-Preises 2021. In „Erschütterung“ erzählt er von dem Paläontologen Zach Wells, der Idealen misstraut: An der Uni setzt sich der Afroamerikaner nicht für Gleichberechtigung ein, und seine Ehe ist erkaltet. Doch als seine geliebte Tochter eine schlimme Diagnose erhält, reist er plötzlich in die Wüste New Mexicos, um zwei Frauen zu retten, die in einer Lagerhalle zum Arbeiten gezwungen werden.

Hanser, 2022, 288 S., 23 Euro

Aus d. Engl. v. Nikolaus Stingl

4. Asako Yuzuki: Butter

Buchcover „Butter“ von Asako YuzukiDrei Männer soll Manako Kajii umgebracht haben, nachdem sie sie mit ihren Kochkünsten umgarnt und finanziell ausgebeutet hat. Kein Wunder, dass die Journalistin Rika sie unbedingt interviewen möchte. Doch Kajii, die in Untersuchungshaft sitzt, will nicht mit der Presse reden. Erst, als Rika sie nach ihren Rezepten fragt, willigt die mutmaßliche Serienmörderin in ein Gespräch ein. Von ihren Liebhabern will sie aber nur erzählen, wenn Rika ihre Gerichte nachkocht. Bald schon lernt Rika den genussintensiven Lebensstil Kajiis zu schätzen, und mit jeder Unterhaltung wächst ihre Faszination für die andere Frau, die sich so gar nicht um die Meinung anderer zu scheren scheint …

Blumenbar, 2022, 442 S., 23 Euro

Aus d. Japan. v. Ursula Gräfe

Die besten Bücher im März 2022

Top 3

3. Katerina Poladjan: Zukunftsmusik

die besten Bücher im März 2022: „Zukunftsmusik“ von Katerina PoladjanEs ist der 11. März 1985, und durch Moskau weht ganz leicht der vielbesungene Wind of Change: Staatschef Tschernenko ist gestorben, sein Nachfolger heißt Michail Gorbatschow. Noch allerdings ist die Sowjetunion Realität, auch in der Gemeinschaftswohnung, in der vier Generationen von Frauen zusammenleben: Großmutter Warwara, Mutter Maria, Tochter Janka und die kleine Enkelin Kroschka. An diesem schicksalshaften Tag schlagen sie sich mit Alltagsproblemen herum. Die tiefgreifenden Veränderungen, die ihren Figuren bevorstehen, deutet Katerina Poladjan nur indirekt an, indem sie den ganzen Roman mit einer hintergründig vergnügten Aufbruchsstimmung unterlegt, die nach und nach sogar das Narrativ selbst erfasst und in unerklärlichen, traumartigen Sequenzen mündet.

S. Fischer, 2022, 192 S., 22 Euro

2. Hendrik Bolz: Nullerjahre – Jugend in blühenden Landschaften

Buchcover „Nullerjahre“ von Hendrik BolzBolz ist in Stralsund aufgewachsen, in der Plattenbausiedlung Knieper West, bis heute ein Brennpunkt. Geboren 1988, ist er zu jung, um die DDR bewusst erlebt zu haben, doch der soziale Umbruch, der auf die Wende folgte, hat seine Jugend geprägt: in Form von Arbeitslosigkeit, Gewalt und Perspektivlosigkeit – und immer wieder Rechtsextremismus. Bolz schreibt von Ferienlagern, die von strammen Nazis geleitet werden, von Alkohol- und Drogenexzessen, von Rassismus und Homophobie, von Schlägereien, die zum Alltag gehören. Immer wieder streut Bolz dazu Statistiken und historische Kontextualisierungen ein. Es sind Fakten, die wir eigentlich alle kennen, selbst, wenn wir im Westen groß geworden sind. Doch durch Bolz’ schonungslosen Bericht gewinnen sie eine neue Relevanz.

Kiepenheuer & Witsch, 2022, 336 S., 20 Euro

1.  Fatma Aydemir: Dschinns

Buchcover „Dschinns“ von Fatma AydemirPathos, vermeintliche Stereotypen, viele nur angerissene Motive, ein mitunter arg konstruiert wirkendes Geheimnis und der verwirrende Bau des Familienromans: Für ihren so wichtigen, weil von der Mehrheitsgesellschaft stark abweichenden Blick auf deutsche Alltags- und Arbeitswelten riskiert Aydemir viel – doch ist es gerade die Polyphonie, die immer wieder die Verbindungslinien zur Gegenwart aufscheinen lässt. Das Figurenensemble profitiert von dem Planspiel, mit den gegenwärtigen Diskursen über Identität auf die 90er zu blicken, denn in ihrem Kampf mit Rassismus, Homophobie, Patriarchalismus und Sexismus lösen sich vor allem Ümit, Sevda und Perihan immer wieder ganz unerwartet aus dem Schatten der Platzhalter – mit Sätzen, die sich umso nachhaltiger bei den Leser:innen einbrennen.

Hanser, 2022, 368 S., 24 Euro

 

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