„Die Rassistin“ von Jana Scheerer
Kleinstteilig bildet Jana Scheerer mit „Die Rassistin“ die verschiedenen Facetten der gesellschaftlichen Debatte um Rassismus und die sogenannte politische Korrektheit ab.
Nicht wenige werden sich in „Die Rassistin“ von Jana Scheerer wiedererkennen.
Nora Rischer, 44, Germanistikprofessorin, bekommt eine Mail vom AstA: Am Seminar habe es einen rassistischen Vorfall gegeben. Rischer ist sofort klar, dass es um eine unbedachte Äußerung ihrerseits geht, die eigentlich harmlos war. Oder doch nicht? Vielleicht ist sie ja doch Rassistin wider Willen! Während sie in der Kinderwunschpraxis wartet, nimmt Rischer sich selbst genauestens – man könnte sagen: obsessiv – unter die Lupe. Als Erzählstimme dient dabei eine Art griechischer Chor, es ist die gesichtslose, aber wohlinformierte Öffentlichkeit, die sich Rischer als erbarmungslos über sich urteilend vorstellt. Dieser Kunstgriff ist nur die unterste Metaebene, die Jana Scheerer einsetzt: Gleich in der Einleitung erklärt sie, den Roman gar nicht selbst verfasst zu haben, sondern das Manuskript eines Freundes zu veröffentlichen.
Zu Wort kommen im Laufe des Buches zudem nicht nur die Figuren, sondern auch die fiktive Lektorin, die Nachbarin oder der Proktologe des Autors. Auf diese Weise bildet Scheerer kleinstteilig die verschiedenen Facetten der gesellschaftlichen Debatte um Rassismus und die sogenannte politische Korrektheit ab. Dabei geht es ihr weniger um Ursachen und Auswirkungen von Diskriminierung, sondern um ein Psychogramm ihrer Protagonistin, die heillos verkopft mit ihrem Gewissen ringt und über sich selbst nachdenkt, während es eigentlich um andere gehen sollte. Nicht wenige von uns werden sich darin wiedererkennen – und die Lektüre vielleicht ein bisschen weniger verkrampft beenden.
Mit „Die Rassistin“ hat es Jana Scheerer auf unsere Liste der besten Bücher im Februar 2024 geschafft.