„Anleitung ein anderer zu werden“ von Édouard Louis: Zwischen Eddy und Édouard
Mit „Anleitung ein anderer zu werden“ legt Édouard Louis das schonungsloseste und wichtigste Buch über Identitätssuche vor.
Um „Anleitung ein anderer zu werden“ von Édouard Louis einzuordnen, zunächst ein Rückblick. Am Anfang war „Das Ende von Eddy“: In dem autobiografischen Roman erinnert sich Édouard Louis an seine Kindheit in prekären Verhältnissen. Er thematisiert das Entdecken der eigenen Homosexualität in einem von Rassismus und Homophobie geprägtem Umfeld, die Flucht aus der nordfranzösischen Provinz und das Abstreifen der alten Identität als Intellektueller in Paris.
Ein paar Jahre später folgt eine Aussöhnung mit den Eltern: Louis erklärt in „Wer hat meinen Vater umgebracht“ das gefühlskalte Verhalten des Vaters mit Blick auf das französische Sozialsystem.
Und wieder ein paar Jahre später ist der inzwischen 29-Jährige komplett zerrissen: „Ich sehne mich nicht nach der Armut zurück, sondern nach der Möglichkeit einer Gegenwart.“ Mit „Anleitung ein anderer zu werden“ erzählt er von den Kosten seiner radikalen Selbstveränderung und von den Extremen, die er immer wieder sucht, um nur nicht von seinem alten Ich eingeholt zu werden: Er hat Sex mit Männern, die in Hotels wohnen, in denen eine einzige Nacht so viel kostet wie das Jahreseinkommen seiner siebenköpfigen Familie.
Selbst als erfolgreicher Literat fühlt er sich nicht angekommen: „Bin ich dazu verdammt, mich immer nach einen anderen Leben zu sehen?“ „Anleitung ein anderer zu werden“ von Édouard Louis ist das schonungsloseste und vielleicht wichtigste Buch über die Identitätssuche. Und es ist eines, das fortgeschrieben werden muss.