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In Platons Höhle

Buchcover „Inneres Wetter“ von Elke Schmitter

„Inneres Wetter“ von Elke Schmitter mangelt es an Dramatik – doch genau das ist die Stärke des Romans.

Das Wetter: grob vorhersehbar, im Detail aber letztlich immer unberechenbar. Potenziell dramatisch, zumeist allerdings harmloses Small-Talk-Thema. Jederzeit präsent, aber vornehmlich dann bemerkt, wenn es uns ungelegen kommt. All diese Nuancen spielen hinein in „Inneres Wetter“, den Titel des neuen Romans von Elke Schmitter. Es geht ihr darum, die Gedankenwelt ihrer Figuren mit all ihren Kleinteilen, Abschweifungen und Widersprüchlichkeiten einzufangen. Die Handlung ist daher nebensächlich, fast schon beliebig: Drei erwachsene Kinder planen eine Feier zum 77. Geburtstag ihres Vaters. Huberta, die Älteste, ist alleinstehende Alkoholikerin, deren geliebte Hündin in den letzten Zügen liegt. Die sorglose Bettina hat einen deutlich älteren Mann geheiratet und mit ihm eine Tochter. Und der melancholische Sebastian zweifelt an seiner Ehe mit der resoluten Mora. Strukturiert werden die drei Teile des Buches von E-Mails, die Bettina ihren Geschwistern zur Vorbereitung der Feierlichkeiten schickt. Nicht nur in ihre Köpfe, sondern auch in die einzelner Verwandter und Freunde wirft Schmitter vermeintlich willkürliche Blicke, erzählt kurze Anekdoten, schildert ausgesuchte Szenen.

Ein Zitat, das Elke Schmitter ihrem Roman voranstellt, vergleicht unsere Schädel mit Platons Höhle: Alle Menschen, so die These, leben vorrangig im eigenen Kopf. Dass das detaillierte Ausleuchten dieser platonischen Höhlen sich nicht entfremdend oder ermüdend, sondern im Gegenteil sehr unterhaltsam liest, ist Schmitters lakonischem Humor zu verdanken – und ihrer makellosen Sprache: Monolog, Dialog, E-Mail, Tagebucheintrag, alle Formen kommen zum Einsatz, passen sich in das Gesamtgefüge ein. Subtile Eigenheiten wie Bettinas Hang zu immer leicht misslungenen Anglizismen fühlen sich an wie die Spleens echter Menschen. Letztlich ist daher auch die mangelnde Dramatik eher eine Stärke des Romans. Denn Schmitter porträtiert Menschen, die nichts Besonderes sind und denen nichts Besonderes passiert – und macht sie interessant. Das implizite Versprechen von „Inneres Wetter“: Aus dem richtigen Blickwinkel sind wir das alle.

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