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„Endlich tut es wieder weh“: Elif veröffentlicht Liebesbriefe an den Schmerz

Elif

Elifs viertes Studioalbum schöpft Kraft aus dem Vermissen, Verlieren und der Sehnsucht.

Der Titeltrack „Endlich tut es wieder weh“ klingt wie die unmittelbare Fortsetzung von Elifs letztem Album „Nacht“. Er ist die Hymne einer nach Zugehörigkeit suchenden Generation im melancholisch-masochistischen Zeitgeist, den die Künstlerin selbst so gut verkörpert.

„Wenn ich sie trag’, sind wir zusammen, fehlen nur einundzwanzig Gramm. Früher war da deine Hand in der Bomberjacke“ singt sie in „Bomberjacke“. 21 g, so heißt es, sind das Gewicht der Seele, die nach dem Tod den Körper verlässt. Die Themen Vermissen, Tod und Schmerz ziehen sich wie rote Linien durch das Album. Mal lässt Elif der Gedanke an die Ex-Beziehung nicht los wie in „Beifahrersitz“, oder sie hängt mit „Roses“ der Vergangenheit nach.

Durchbrochen wird Elifs Emotionalität durch das akustische „Mein Babe“, in dem sie auf satirische Weise ihrem fremdgehenden Partner droht. Auch „Lonely“ zeigt die Künstlerin nochmal von einer anderen Seite. Das Stück ist ungewohnt tanzbar und wirkt melodisch fast kindlich, sorgt jedoch für überraschende Leichtigkeit nach dem tiefgründigen Stück „Himmel“. Wie bereits in „Alles helal“ oder „Doppelleben“ setzt Elif sich auch hier mit der Zerrissenheit zwischen kulturellen Glaubenssätzen und dem eigenen Freiheitsverständnis auseinander. Sie stellt bedeutungsschwere Fragen wie „War mein Leben eine Sünde? Ist der Himmel für mich da?“.

„Wieso ich“ wird von Vogelgezwitscher unterlegt, während Elif damit hadert, eine Person, die ihr Gutes möchte, an sich heranzulassen. „Da, wo ich nur noch schwarz seh’, siehst du Licht“ singt sie in die widerhallenden Gitarrenriffs hinein. Als Gegenstück zu ihrer Sanftheit folgt das wütende „Weil du mich nie geliebt hast“. Elif zieht Kraft aus ihrem Schmerz und legt eine Jetzt-erst-recht-Mentalität an den Tag. „Ich reiße mir mein Herz raus und werf’ es in die Menge“ kann man sich selbst in einer jubelnden Masse mitgrölen hören.

Mit „Wenn ich sterbe“ liefert Elif einen nachtragenden, stolzen Popsong. Was bei vielen ihrer Fans vermutlich auf Begeisterung stoßen wird, bewegt sich auf dem schmalen Grat zur Unreife – macht aber dennoch Spaß. Nochmal ehrlicher und verletzlicher zeigt sie sich in „Weißt du wie es ist“ und spielt auf den Tod ihrer Mutter an, den sie auch in „Himmel“ kurz erwähnt.

Elif lädt zwei Rapper auf ihr Album ein. Gemeinsam mit 1986zig ergründet sie die Menschlichkeit zwischen Verrat und Verbundenheit. Offen bleibt die Identität der Person, auf die sie sich mit „Denk’ an meinen Bruder im Gerichtssaal“ beziehen. PA Sports ergänzt das theatralisch-reuevolle „Ich denk an dich“ zu einem gelungenen Deutschrap-Track.

Der krönende Abschluss des Albums ist „Unendlichkeit“, auf dem die Künstlerin vielen Gedanken Platz macht, die ihr im Kopf herumzuschwirren scheinen. Zeilen wie „War das dein Geist oder bin ich dir grad begegnet?“ lassen darauf schließen, dass der Text an ihre verstorbene Mutter gerichtet ist. Was ihn besonders persönlich macht, ist, zu wissen, dass Elif außerhalb ihrer Musik bisher nicht wirklich über den Todesfall gesprochen hat. Mit gebrochener Stimme sagt sie „Bin nur ’n Schritt von dir entfernt, aber du weißt doch auch, dass ich den nicht gehen kann“. Das Lied klingt langsam aus, und das „Ah-ah-ah“, welches das erste Stück einleitet, beendet das letzte – das Album schließt sich wie ein Kreis.

Elif präsentiert ein vielschichtiges Album, das mal mehr oder weniger ernsten Liebeskummer, tiefgreifende Zugehörigkeitsfragen und schwere Verluste miteinander mischt. Ihre Balance zwischen Deutschpop und Deutschrap hält sie durch die Verbindung von direkten, gefühlsbeladenen Worten und frech-arroganter Haltung. Insgesamt bewegt sie sich auf „Endlich tut es wieder weh“ aber wieder stärker Richtung Pop als auf dem Vorgänger. Obwohl einige ihrer Songinhalte nicht mehr sonderlich überraschen, ist ihre Emotionalität ehrlich und einzigartig – ihre Stücke wirken nicht abgedroschen.

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