Nicht länger der Held
In seinem neuen Roman „Hell strahlt die Dunkelheit“ erinnert uns Ethan Hawke unablässig daran, dass er hauptberuflich Schauspieler ist. Aber wie lange noch?
Als David Mitchell sein viertes Buch „Der dreizehnte Monat“ veröffentlicht hat, meinte der britische Autor in Anbetracht der autobiografischen Elemente augenzwinkernd: „Ich dachte, es wurde mal Zeit, dass ich meinen ersten Roman schreibe“. Vielleicht hat sich Ethan Hawke mit „Hell strahlt die Dunkelheit“ etwas Ähnliches vorgenommen. Wem Hawke bisher nur als Schauspieler ein Begriff war, kommt leicht in Versuchung, seinen neuesten Roman als dürftig maskierte Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben abzutun, die nicht den Mut hat, sich allzu weit von der Realität zu entfernen – eine Falle, in die nicht wenige Roman-Debütant:innen tappen, besonders, wenn sie schon anderweitig berühmt sind.
Und tatsächlich finden sich in „Hell strahlt die Dunkelheit“ sehr viele Parallelen zur Biografie von Ethan Hawke: Sein Protagonist ist ein erfolgreicher Schauspieler, der sich von seiner ebenfalls berühmten Frau trennt, nachdem er sie betrogen hat. Zugleich spielt er am Broadway in einem Theaterstück mit, als Henry „Hotspur“ Percy in Shakespeares „Heinrich IV.“. Hawke hat sich Anfang der 2000er nach Vorwürfen der Untreue von Uma Thurman getrennt und zeitgleich dieselbe Rolle im selben Stück in derselben Stadt gespielt. Gut, Namen und andere Details hat Hawke geändert, seine Hauptfigur heißt William, seine Frau ist ein Popstar. Aber ist das alles nicht doch einfach ein Schnipsel Autobiografie – noch dazu einer, der die Leserschaft vor allem mit Hawkes Fehltritten versöhnen soll?
Nicht alle Details stimmen mit der Biografie von Ethan Hawke überein
Aber Halt: „Hell strahlt die Dunkelheit“ ist sowenig Hawkes erster Roman, wie „Der dreizehnte Monat“ Mitchells Debüt war. Der vielleicht größte Unterschied zwischen William und Hawke ist der, dass Ethan Hawke zu der Zeit, die als Inspiration des Buchs gedient hat, bereits mehrere Romane veröffentlicht hatte. Und während William als Fremdkörper ans Theater kommt und als Filmschauspieler zunächst nicht ernst genommen wird, war Hawke bei seinem „Heinrich“-Auftritt längst ein angesehener Bühnenmime.
Diese Unterschiede sind zentral, denn sie rücken Williams Fremdgehen, seine Drogenexzesse, seine Wehleidigkeit und die endlose Ichbezogenheit in ein anderes Licht: Hier schreibt kein Schauspieler über das einzige Thema, mit dem er sich auskennt, sondern ein gestandener Autor über ein Thema, das ihm ungemein viel bedeutet. „Hell strahlt die Dunkelheit“ ist vor allem ein Liebesbrief an das Theater: Die strenge Routine, das Einlassen auf seine Mitspieler:innen, die Erkenntnis, dass er einmal nicht der Held sein darf – das alles rettet William vor dem Versinken in sich selbst. Hawke schreibt so mitreißend wie tiefsinnig, versteckt hinter derben Schilderungen von Sex und Rausch zarte Poetik. Die Lektionen, die William von weisen Mentor:innen, krisenerprobten Freund:innen oder seinen kleinen Kindern lernt, sind dabei nicht unbedingt überraschend – aber das macht sie nicht weniger zeitlos und wahr. Ob sie von Ethan Hawke dem Schauspieler oder Ethan Hawke dem Autor kommen, ist letztlich einerlei.