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Trügerischer Boden

Buchcover „Bruder aller Bilder“ von Georg Klein, Fauna bei Nacht

Mit seinem neuen Roman „Bruder aller Bilder“ reißt Georg Klein die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, Leben und Tod, Damals und Jetzt ein.

Monique Gottlieb hat drei Namen. Weil sie ihren Geburtsnamen hasst, rufen ihre Kolleg:innen sie auf eigenen Wunsch Moni. Die Narration allerdings nennt sie durchgängig MoGo – nur die Narration, niemand sonst. In diesem kleinen Schuss Ambiguität zeichnet sich schon am Anfang von „Bruder aller Bilder“ ab, was Georg Klein vorhat: uns nach und nach den Boden unter den Füßen wegzuziehen, so langsam, dass wir es kaum merken. Dabei geht der Roman scheinbar bodenständig los: MoGo arbeitet seit kurzem bei der Tageszeitung einer Stadt, die nie genannt wird, allerdings unschwer als Augsburg identifizierbar ist. Sportreporter Addi Schmuck, Koryphäe der Redaktion, bestellt sie zu einem rätselhaften Auftrag ab, der mehrere Tage in Anspruch nehmen soll. Er nimmt MoGo mit an den Stadtrand, wo sie einen alten Freund von ihm besuchen, den Addi nur den „Auskenner“ nennt. Der soll ihnen helfen, ein paar rätselhafte Vorkommnisse aufzuklären, die mit Vögeln zu tun haben. Oder doch nicht?

Hätte die Protagonistin kein Smartphone, könnte der Roman von Georg Klein bequem in der BRD der Nachkriegszeit spielen.

Keiner der beiden Männer scheint ein wirkliches Interesse an Antworten zu haben – und Klein ebensowenig. Stattdessen spickt er sein Narrativ mit immer mehr Details, Landschaftsbeschreibungen und Einzelheiten aus MoGos Vergangenheit, die alle irgendeine Bedeutung suggerieren, sich aber nie zu einem kohärenten Bild zusammenfügen lassen. Das kann frustrieren, gerade am Anfang des Romans, und wird noch dadurch verstärkt, dass alle Figuren unabhängig von Alter oder Herkunft gern in seitenlangen Absätzen reden und sich dabei eines Vokabulars bedienen, das vor einigen Jahrzehnten stecken geblieben ist. Hätte MoGo kein Smartphone, könnte „Bruder der Bilder“ bequem in der BRD der Nachkriegszeit spielen. Klar ist: Es geht um die Natur – nicht umsonst hat Klein alle Kapitel mit Pflanzen- oder Tiernamen überschrieben. Wirklich fesselnd wird „Bruder aller Bilder“, sobald der Autor sich endgültig dem Rätsel überlässt und die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, Leben und Tod, Damals und Jetzt einreißt. Vielleicht, weil wir selbst auch aufgehört haben, auf Antworten zu warten.

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