„Papyrus“ von Irene Vallejo: Das Buch der Bücher
Nichts klingt langweiliger als ein Sachbuch über die Antike. Doch die Spanierin Irene Vallejo macht aus „Papyrus“ einen ungemein spannenden und zeitdiagnostischen Abenteuerroman.
„Nach den Tagen des Kummers und des Eingeschlossenseins, die wir in der letzten Zeit durchlebt haben, stellen wir – einmal mehr – fest, dass das gedruckte Wort unsere Anspannung lindert und uns reisen lässt, über Balkone und Grenzen hinaus“, schreibt Irene Vallejo in einen Brief an alle Buchhändler:innen. Klar, wir alle haben im Lockdown gelernt, dass Bücher ein besserer Beistand gegen Angst und Ungewissheit sind als Klopapier oder Nudelberge. Doch wenn sich die 43-jährige Spanierin an den Handel wendet, ist das natürlich nicht nur Würdigung und ein Appell, sich weiterhin mit aller Kraft für Bücher im allgemeinen einzusetzen. Ihr Brief ist vor allem ein call to arms, den von ihr verfassten Ziegelstein „Papyrus“ über die Geschichte der Bücher an die Leser:innen zu bringen.
Was zunächst kein leichtes Unterfangen ist: Warum soll man zurück zu den Anfängen der Bibliothek von Alexandria, um sich dann auf gut 750 Sachbuchseiten bis zum Untergang des römischen Reiches vorzuarbeiten? Doch wer „Papyrus“ einfach mal antestet, dem wird schnell klar, dass die Philologin Vallejo nicht nur viel weiß, sondern als Autorin mehrerer Romane auch unterhaltsam vermitteln kann. Geschichte ist bei ihr ein Roman, der von Übersetzern, Spionen, Sklavinnen, Rebell:innen und Abenteurer:innen bevölkert ist. Der historische Abriss als Pageturner – vor allem auch, weil Vallejo immer wieder Brücken zu aktuellen Diskursen baut: Prozesse gegen Cartoonisten, die literarische Stimme der Frau, Fan-Phänomene … Eigentlich müssen Buchhändler:innen nur eine Leseprobe anordnen: Eine einzige Seite von „Papyrus“ reicht – schon wirkt die Leidenschaft von Irene Vallejo ansteckend.
Hier geht es zu unserer Liste der besten Bücher im April 2022