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STAY AT HOME mit Katrin Seddig

Katrin Seddig im Interview zu ihrem Roman „Sicherheitszone“ und dem Lockdown
(Foto: Bruno Seddig)

„Sicherheitszone“ ist der perfekte Roman für den Lockdown. Wir haben mit der Autorin gesprochen, welche Bücher noch durch den Januar helfen.

Katrin Seddig, wenn wir den Januar alle daheim auf der Couch verbringen, ist dein aktueller Roman „Sicherheitszone“ ja der perfekte Begleiter.

Katrin Seddig: Hoffentlich meinst du das jetzt nicht nur wegen Titels: Wir ziehen uns alle in eine Sicherheitszone zurück. In dem Buch geht es ja eigentlich ums Gegenteil: Man geht nach draußen und engagiert sich.

Genau, vom Sofa aus wird fühlbar, wie die Welt sich verändert. Der Roman spielt ja während des G20-Gipfels in Hamburg. Hattest du keine Angst, dass du nach all den Berichten bei den Leser*innen auf Übersättigung triffst?

Katrin Seddig: Eigentlich wollte ich ja einen Familienroman schreiben, und das Buch sollte „Eine deutsche Familie“ heißen. Ich wollte eine bestimmte Schicht in der Gesellschaft beschreiben, in der ich auch selbst lebe. Auch anhand des Gipfels, durch den sich dann die Dinge zuspitzen. Aber im Grunde stand ja schon vorher im Raum, dass eine Zeit zu Ende geht, in der man relativ gut leben konnte und sich nicht so einmischen musste.

Verglichen mit dem G20-Gipfel ist Corona natürlich eine ganz andere Herausforderung. Schreckt man als Schriftstellerin auf der Suche nach Inspiration vor Themen zurück, die mit der Pandemie im Zusammenhang stehen?

Katrin Seddig: Es ist schwierig, weil alles, was man heute denkt, vielleicht schon morgen nicht mehr stimmt. Wenn man aber Geschichten erzählt, die in der Gegenwart spielen, kann man die Pandemie auch nicht mehr raushalten. Wenn das nur zwei oder drei Monate ein Thema gewesen wäre, hätte man die einfach in einer anderen Jahreszeit spielen lassen, aber jetzt … Natürlich kann man die Geschichten auch vor Corona ansiedeln – aber irgendwie scheint das dann auch nicht mehr relevant zu sein. Für mich habe ich es so gelöst, dass es in den Geschichten, die ich momentan schreibe, nicht der Hauptkonflikt ist. Trotzdem ist es irgendwie da. Man ist ja auch nicht jeden Tag in einer Schreckensstarre, sondern lebt mittlerweile mit der Gefahr und den Konflikten.

Hast du selbst in den letzten Monaten auch mehr gelesen?

Katrin Seddig: Ach, das mache ich eh enorm viel. Ich lese jeden Abend lange vorm Einschlafen, jeden Morgen nach dem Aufstehen und manchmal auch noch zwischendurch. Wenn ich noch mehr lesen würde, könnte ich gar nicht mehr arbeiten.

Mit dem Buch ins Café zu gehen, ist momentan ja leider schwierig.

Katrin Seddig: Ins Café zum Lesen? Das mache ich sowieso nicht so gern. Im Sitzen ist das doch nicht so schön. Ich liege gern dabei.

Was hat denn zuletzt neben deinem Bett gelegen?

Katrin Seddig: Unbedingt empfehlen möchte ich „Die kleinen Störungen der Menschheit“ von der US-Amerikanerin Grace Paley. Sie war Frauenrechtlerin, ihre Geschichten spielen in den 50ern, und weil sie von der Lyrik kommt, haben ihre Erzählungen einen ganz besonderen Sound. Toll ist auch „Der Schwimmer“ von John Cheever. Das sind auch Erzählungen – dabei lese ich eigentlich eher Romane. Zuletzt habe ich ganz viel Balzac gelesen. Da dann unbedingt „Glanz und Elend der Kurtisanen“. Wobei man zuvor eigentlich auch noch „Verlorene Illusionen“ und „Vater Goriot“ lesen muss. Mit Balzac kann man verstehen, wie Menschen sich verhalten, und als Schriftstellerin lerne ich viel über Figurenzeichnung. Aber das sind jetzt alles Männer – und eigentlich will ich doch mehr von Frauen lesen.

Aber gerade im letzten Jahr sind ja unglaublich viele spannende Bücher von Autorinnen erschienen.

Katrin Seddig: Stimmt, aktuell gibt es da viel. Aber die lese ich immer erst ein Jahr später. Ich kann das nicht ertragen, wenn Bücher überall besprochen werden. Ich fühle mich dann so beeinflusst. Ich lese die immer erst, wenn sich die Aufregung ein bisschen gelegt hat.

Gibt es auch Bücher, die du vor dir herschiebst?

Seddig: Als einziges Buch steht hier noch „Ulysses“, aber selbst „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ habe ich sogar mehrfach gelesen. Ich baue mir auf meinem Nachtbrett einen Stapel mit Büchern, und der muss gelesen werden – von oben nach unten. Die Reihenfolge darf auch nicht unterbrochen werden, da bin ich ganz eisern. Ich finde, man muss das auch so machen, weil man sich sonst nicht so richtig etwas zumutet. Dann ist man doch nur auf Unterhaltung aus, die einen auch nicht so richtig tangiert. Oft muss ich mich erst ein bisschen zwingen – aber dann ist es fast immer ein Gewinn.

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