„Sauhund“ von Lion Christ
Mit „Sauhund“ zeichnet Lion Christ ein eindringliches Portrait von Münchens schwuler Subkultur in den 80ern und fängt mit dem Aufkommen von Aids einen Wendepunkt ein.
In „Sauhund“ von Lion Christ treiben die toxische Mischung aus Hybris und Verunsicherung den vor jeglicher Verbindlichkeit flüchtenden Antihelden gen Abgrund.
„Sauhund“ von Lion Christ ist unsere Buchempfelung der Woche.
Ganz am Anfang steht eine Kontaktanzeige, die der 21-jährige Flori in dem schwulen Szenemagazin Adam aufgibt. Schon hier zeigt sich, wie viel Recherchearbeit der Ende der 90er geborene Lion Christ in seinen Debütroman gesteckt hat – setzt das Buch eben lange vor Romeo und Grindr im Jahr 1983 ein. Zudem ist der Titel seines Romans durchaus als Warnung für etwaige Interessenten zu verstehen, denn Flori ist ein richtiger „Sauhund“: Das Heimatkaff verlässt er, ohne sich auch nur von den Eltern und seinem ersten Freund zu verabschieden, und auch die Freundin, bei der er in München unterkommt, nutzt er nach Strich und Faden aus.
Die toxische Mischung aus Hybris und Verunsicherung treiben den vor jeglicher Verbindlichkeit flüchtenden Antihelden gen Abgrund: Flori wird obdachlos, er muss sich prostituieren und bekämpft seine Depression mit Alkohol … Mit Dialekt-Spielereien und popkulturellen Verweisen zeichnet Lion Christ ein eindringliches Porträt von Münchens schwuler Subkultur und fängt mit dem Aufkommen von AIDS einen Wendepunkt ein. „Wo wolltest na eigentlich hin, hm, du Sauhund?“, will der von HIV gezeichnete Jakob kurz vor Ende des Romans von seinem Freund Flori wissen – und es ist diese Frage, die Lion Christs größte Leistung offenbart: Trotz all dem, was vorher gewesen ist, teilen Lesende die Zärtlichkeit, die in ihr liegt.
Mit „Sauhund“ hat es Lion Christ auf unsere Liste der besten Bücher im Oktober 2023 geschafft.