Matthias Egersdörfer: Vorstadtprinz
Wer ihn kennt, wundert sich über den Roman „Vorstadtprinz“ nicht: Matthias Egersdörfer ist ein Poet selbst dann, wenn er als Kabarettist auf der Bühne sein Publikum berserkerhaft beschimpft.
„Ich bin nicht mehr gewesen als die erste, verschwommene Silbe einer fernen Ahnung. Als feines Fusselchen einer Schuppe von einem Nichts schwebte ich körperlos in der fernen Weite des Nirgendwo.“ Wer ihn noch nicht kennt: Matthias Egersdörfer ist ein Poet selbst dann, wenn er als Kabarettist auf der Bühne sein Publikum berserkerhaft beschimpft. Wer den Mittelfranken von dort kennt, wundert sich also beim Reinblättern in den Roman Vorstadtprinz nicht über die zarte Beschreibung einer vagen Existenz vor, während oder kurz nach der eigenen Zeugung. Vorstadtprinz ist ein Kindheitsroman, der exakt mit dem Auszug aus dem Elternhaus endet. Einen Plot zu erzählen fällt schwer, denn Egersdörfer kommt in seiner Schreibweise sehr vom Gefühl, verpackt – wie schon gesagt – in eine unendlich schöne poetische Form. Der Vater ein Handelsreisender und häufig unterwegs, die Mutter mit einem unbändigen Drang, ständig in hoher Geschwindigkeit zu reden und – heute würde man sagen: mit Helikopterambitionen. Nur wenn der kleine Matthias krank ist, wird sie sanft und hört zu. Hauptzufluchtsort des jungen Helden aber ist die Wohnung der Großmutter im Erdgeschoss, wo immer eine Rippe Schokolade bereitliegt, wenn Trost nötig ist. Ob die Rivalität unter Geschwistern, das erste Erkennen sozialer Unterschiede zu Schulfreunden oder so etwas Banales wie die Gefahr der Erpressung beim Schlachter, wenn die Verkäuferin eine Gelbwurstscheibe schenkt: Alles ist eine Herausforderung für den jungen Matthias, die ihn wachsen lässt. Angepasst an das jeweilige Alter seines jungen Helden, wählt Egersdörfer eine Sprache, die aufgrund ihres latent komischen Untertons nie Opfer der emotionalen Offenheit des Erzählers wird – kein Pathos, nirgends. jw
Matthias Egersdörfer Vorstadtprinz
Rowohlt Berlin, 2019, 320 S., 20 Euro