Zum Inhalt springen

Nie Technokratie? fliederKind im Interview zu „Zentrale Kreaturen“

FliederKind
Für die beiden bekennenden Naturwissenschaftler von fliederKind ist Musik auch eine Lösung. (Foto: QUASI LOVE)

Das Elektroduo fliederKind dekodiert Johann Sebastian Bach – und zwar an der Schreibmaschine.

fliederKind im Interview zu „Zentrale Kreaturen“: „Wir müssen weg von diesem Jung gegen Alt. Das funktioniert nur gemeinsam!“

Maximilian, Egbert, über euer neues Album sagt ihr: Trotz all der Maschinen ist fliederKind eine Manufaktur.

Maximilian Schäfer: Auf der einen Seite ist unsere Musik sehr elektronisch und architektonisch gebaut, lyrisch arbeiten wir hingegen mit assoziativen Bildern, mit offenen, emotionalen Interpretationsräumen.
Egbert Schark: Unsere Musik wird innerhalb der Geräte erzeugt – aber live. Die Kompositionen werden mit Technik aufgenommen, doch der analoge Signalweg sorgt für Wärme. Wir sind zwar keine Sound-Esoteriker, dennoch haben wir nur eine Aufnahme pro Band. Wir können nichts nachbearbeiten. Ähnlich einer Schreibmaschine: Nichts ist reproduzierbar.

Als Physiker seid ihr der Welt der Technik sowieso sehr zugewandt, oder?

Schäfer: Für uns sind Naturwissenschaft und Musik kein Widerspruch. Musik ist in ihren Strukturen der Mathematik total nah.
Schark: Wir begegnen der Musik zwar rational, bei uns gibt’s jetzt keine Jamsession mit möglichst vielen Drogen, aber es ist nie technokratisch. Strenggenommen war so jemand wie Bach aber ein totaler Technokrat. (lacht)

Der Song „Atlas“ versucht unsere verbrauchte, ächzende Erde zu erfühlen.

Schark: Wir haben dieses Jahr bereits im Mai den Tag erreicht, an dem wir der Natur mehr entzogen haben, als sie regenerieren kann. Wir sind Naturwissenschaftler, wir glauben an die Fakten und Zahlen: Wir müssen unser Verhalten massiv ändern. Das Problem sind heute die extremen Pole: Die einen wollen alles unverzüglich auf null herunterfahren, und die anderen glauben nicht mal an eine einzige Maßnahme. Diesem Dilemma müssen wir entkommen.

Seid ihr denn in Sachen Klimadebatte technokratisch veranlagt?

Schäfer: Es gibt für uns nicht nur eine technische Seite: Ich bin Vater, Egbert auch, natürlich gibt es da eine ganz emotionale Betroffenheit.
Schark: Es fehlt uns an Aufklärung. Ein Beispiel: Wenn alle Deutschen nur noch streamen würden, anstatt lineares Fernsehen zu nutzen, werden ähnlich viele Tonnen CO₂ verbraucht, wie ein Tempolimit einsparen könnte. Das ist jetzt sehr pauschal, doch wir müssen weg von diesem Jung gegen Alt. Das funktioniert nur gemeinsam – und ohne Verhaltensanpassung wird das nichts.


Foto: QUASI LOVE

Beitrag teilen: