„Zuhause ist ein großes Wort“ von Nina Polak: Mythos Zuhause
Nina Polak beschreibt in „Zuhause ist ein großes Wort“, wie politisches Bewusstsein zum Verkaufsargument eigener Individualität verkommt.
Mit ihrem zweiten Roman „Zuhause ist ein großes Wort“ zeigt Nina Polak, wie undurchlässig moderne Klassengesellschaften sind.
Nach sieben Jahren auf See kehrt Nienke Nauta zurück nach Amsterdam. Zu ihrer reichen Adoptivfamilie. Zurück zu ihrem online-aktivistischen Adoptivbruder, der den Wahnsinn der Stadt in Content verwandelt und zu den richtigen Anlässen „The Future is female“-Shirts trägt. Zu zu ihrem Ex-Freund mit schriftstellerischen Ambitionen, der Slavoj Žižek liest, Miles Davis hört und seine steinzeitliche Misogynie hinter akademischem Gefasel verbirgt. Und zurück in „eine von Alpträumen bevölkerte bürgerliche Hölle unter dem Meeresspiegel“.
Die zynisch zerbrechliche Ich-Erzählerin von „Zuhause ist ein großes Wort“ passt einfach nicht in diese Welt. Nina Polaks zweiter Roman zeigt, wie undurchlässig moderne Klassengesellschaften sind und wie politisches Bewusstsein zum Verkaufsargument eigener Individualität verkommt. Jenes Bewusstsein existiert in Polaks Roman zwar als bloßer Schein im bürgerlichen Gewand – doch immerhin existiert es. Fragwürdig ist jedoch, wieso Polak die Protagonistin nicht in ihr prekäres Herkunftsmilieu schickt, um dort ein antikapitalistisches, feministisches Bewusstsein zu finden. Gibt es das dort etwa nicht? Fest steht für Polak: Wer ein Zuhause will, braucht eine Mythologisierung seiner selbst. Doch diese braucht Geld – und so bleibt Nienke nur das Meer.
Mit „Zuhause ist ein großes Wort“ hat es Nina Polak auf unsere Liste der besten Bücher im März 2023 geschafft.