„Kapitulation“ von Ray Loriga: Der gläserne Mensch in der gläsernen Stadt
Mit seinem Roman „Kapitulation“ zeigt Ray Loriga: Was passiert, wenn wir uns alle fertig optimiert haben?
Was passiert eigentlich, wenn wir uns alle fertig optimiert haben? Wahrscheinlich vegetieren wir dann apathisch in den Tag hinein – ohne Wut, Glück oder Angst. So geschieht es zumindest dem Erzähler in dem neuem Roman „Kapitulation“ von Ray Loriga. Seit zehn Jahren herrscht Krieg, doch warum, weiß niemand mehr so genau. Die einzige Gewissheit: Sein Dorf wird in die neue, gläserne Hauptstadt umgesiedelt.
Der Erzähler findet sich in einer völlig transparenten Welt wieder, in der es weder Geheimnisse noch Wände gibt. Das soziale Miteinander ist panoptisch reguliert, und jede subjektive Regung, jedes Bedürfnis, jeder Trieb wird im Keim erstickt. Die plumpe Sprache des Romans macht seine Gewalt noch gewöhnlicher – und somit gnadenlos und abgründig. Lorigas alltägliche Erzählungen weisen erschreckend viele Parallelen zu unserer angeblich klassenlosen Bewertungs- und Optimierungsgesellschaft auf. Und spätestens bei der unerwarteten Wendung am Ende des Romans, sollten wir gewarnt sein: Denn dort, wo der Fehler der Perfektion weicht, dort, wo alles gleich ist, wird auch alles gleichgültig.