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„Small Axe“ auf One: Steve McQueens BBC-Anthologie

Still aus der „Small Axe“-Folge „Mangrove“
Still aus „Mangrove“, Folge 1 der Anthologie „Small Axe“: Der Aktivist Darcus Howe (Malachi Kirby) protestiert mit anderen gegen die rassistischen Durchsuchungen der Londoner Polizei. (Bild: WDR/McQueen Limited)

Mit „Small Axe“ zelebriert Regisseur Steve McQueen den Kampf der englischen Schwarzen Community gegen Rassismus und Diskriminierung.

Er war bereits mit Filmen wie „Shame“ erfolgreich, doch „12 Years a Slave“ war unzweifelhaft Steve McQueens großer Durchbruch: eine wahre Geschichte über Sklaverei, rassistische Gewalt – und den erfolgreichen Kampf dagegen. Mit Small Axe hat sich der Regisseur nun einem verwandten Thema gewidmet, allerdings in seiner britischen Heimat. Die von der BCC koproduzierte Serie behandelt die Erfahrungen migrantischer Communities in England in den 60ern, 70ern und 80ern. Für McQueen, der 1969 als Sohn einer grenadischen Mutter und eines trinidadischen Vaters in London aufgewachsen ist, ein Herzensthema. Small Axe ist dabei weniger eine klassische Serie als eine Anthologie aus fünf Filmen, die auch auf der Kinoleinwand nicht fehl am Platz wirken würden. Nun strahlt One sie im Free-TV aus, zugleich gibt es sie in der ARD-Mediathek zu sehen.

„Mangrove“: Ein packendes Gerichtsdrama

Die erste Folge „Magrove“ gibt die Richtung vor: Sie basiert auf dem Prozess gegen die „Mangrove Nine“, eine Gruppe von Aktivist:innen, die 1970 den Rassismus im britischen Justizsystem aufgezeigt haben. Zunächst will Frank Crichlow (Shaun Parkes) eigentlich nur sein Restaurant, das „Magrove“, in Frieden führen. Der Laden ist ein Zentrum der Schwarzen Community in London. Doch der offen rassistische Polizist Pulley (Sam Spruell) schikaniert Crichlow schamlos und lässt das „Mangrove“ immer wieder grundlos durchsuchen. Mit den Black-Panther-Aktivist:innen um Altheia Jones-LeCointe (Letitia Wright), Darcus Howe (Malachi Kirby) und Barbara Beese (Rochenda Sandall) organisiert Frank eine friedliche Demo – nur um festgenommen und wegen Verhetzung angeklagt zu werden.

McQueen hält sich an die Fakten, doch von Beginn an ist klar, dass es ihm um mehr geht als ein trockenes Wiederkäuen der Geschichte. „Mangrove“ ist mehr als zwei Stunden lang, und der Regisseur lässt sich Zeit, die Figuren und ihre Welt zu entfalten. Der Film hält inne, um die Community im „Mangrove“ beim Tanzen und Feiern zu zeigen, und kontrastiert diese Szenen mit der klinisch-kalten Welt der Polizei und der Justiz. Die gesamte zweite Hälfte zeigt den langwierigen Prozess, in dem die Mangrove Nine sich gegen einen voreingenommenen Richter und die korrupte Polizei behaupten müssen. Der Sieg am Ende ist bittersüß, so wie die Mitteilung, dass Frank Crichlow weiterhin von der Polizei schikaniert wurde. Doch er ist auch hart erkämpft – und verdient.

Mit „Lovers Rock“ auf die Tanzfläche

Dass er auch noch ganz anders kann, zeigt McQueen mit der zweiten, deutlich kürzeren Folge „Lovers Rock“. Sie ist die einzige, die nicht auf einer wahren Geschichte basiert, und tatsächlich passiert in Sachen Plot nur wenig: Im Detail sehen wir, wie 1980 eine Hausparty in London vorbereitet wird, und begleiten Martha (Amarah-Jae St. Aubyn), die sich heimlich dorthin schleicht. Dort begegnet sie Franklyn (Micheal Ward), eine Romanze bahnt sich an. Bis auf wenige Ausnahmen, etwa eine erschreckende Szene um eine versuchte Vergewaltigung, geschieht sonst nichts Dramatisches, auch Rassismus ist nur am Rande sichtbar.

Stattdessen konzentriert sich McQueen ganz auf die Party – und fängt tatsächlich das Gefühl ein, wie Momente auf der Tanzfläche einen transzendenten Charakter gewinnen können. In der Schlüsselsequenz des Films zeigt er in einer einzigen Einstellung die Paare, die gemeinsam zu Janet Kays „Silly Games“ tanzen und im Anschluss den gesamten Song noch einmal gemeinsam a cappella singen. Hier geht es nicht um Unterdrückung oder Kampf, sondern einfach darum, einen spezifischen Moment möglichst allumfassend einzufangen – und die Lebenswelt einer im britischen Fernsehen oft unterrepräsentierten Community zu feiern. Und das ist auf überhaupt nicht verkopfte Art ziemlich radikal. Es wundert nicht, dass „Lovers Rock“ von nicht wenigen Kritiker:innen zu den besten Filmen 2020 gezählt wird.

„Small Axe“ zeigt uns, wie man die Axt anlegt

Für die restlichen Folgen kehrt McQueen zu den Fakten zurück. So handelt Folge 3, „Red, White and Blue“, von dem Polizisten Leroy Logan (John Boyega), der versucht, die britische Polizei von innen zu reformieren. In Folge 4 spielt Sheyi Cole den Autor Alex Wheatle, und in Folge 5 geht es um die rassistische Schulpolitik in England, die auch McQueen erleben musste.

Der Titel „Small Axe“ bezieht sich auf den gleichnamigen Song von Bob Marley. „So if you are the big tree“, heißt es darin, „We are the small axe/Ready to cut you down.“ McQueens Filme zeigen nicht, wie der Baum fällt. Aber sie zeigen verschiedene Wege, die Axt anzulegen. Und, vielleicht noch wichtiger: wofür der Baum überhaupt gefällt wird.

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