Stefan Hornbach: Content Note
In dem Debütroman „Den Hund überleben“ von Stefan Hornbach geht es um Krebs – und um einen völlig neuen Umgang mit diesem Thema in der Literatur.
Stefan Hornbach, in „Den Hund überleben“ erzählst du die Geschichte von Sebastian, der im Alter von 24 mit einer Krebs-Diagnose konfrontiert ist. Als in seinem Körper drei Tumore entdeckt werden, zieht er wieder bei seinen Eltern ein und muss so schnell wie möglich eine Chemotherapie beginnen. Bei vielen Lesenden dürfte dieser Plot wohl zunächst auf eine Abwehrhaltung stoßen.
Stefan Hornbach: Es wäre schade, wenn man sich von dem Thema abschrecken lässt. In dem Buch ist ja nicht nur alles schwer und tragisch. Natürlich ist solch eine Diagnose für viele Menschen das absolute Horrorszenario, aber ohne das zu bagatellisieren, versuche ich ja auch zu vermitteln, dass nicht alles schlimm und schlecht sein muss – und das meine ich nicht esoterisch.
Schon vor ein paar Jahren hast du zu diesem Thema das Theaterstück „Über meine Leiche“ verfasst und damit den Osnabrücker Dramatikerpreis gewonnen. Mit dem Roman gelingt dir jetzt ein zweites Mal der Drahtseilakt, mit viel Humor zu erzählen und zugleich einen angemessenen Respekt gegenüber dem Thema zu wahren.
Stefan Hornbach: Eine Bekannte hat mir kürzlich gesagt, dass sie das Theaterstück viel härter fand. Es war auf keinen Fall meine Absicht, jemanden damit zu triggern oder fertig zu machen, sondern ich wollte mir die Freiheit nehmen, alles sagen zu dürfen. Jetzt im Roman ist es schon eine ernsthaftere Auseinandersetzung, trotzdem ist der Blick der Erzählerfigur ähnlich. Im Lektorat wurden mir schon mal eine Pointe oder kleine Punchlines genommen, aber ich glaube, wirklich respektlos war es nie. Das ist einfach ein Gefühl, dass man beim Schreiben und bei der Beschäftigung mit dem Thema entwickelt.
Dabei gibt es ja kein einziges literarisches Werk, zu dem du dich ins Verhältnis setzen konntest. Mit so einem jungen Protagonisten findet dieses Thema bislang nicht statt.
Stefan Hornbach: Stimmt. Ich habe natürlich viele autobiografische Sachen gelesen, etwa Wolfgang Herrndorf und Christoph Schlingensief. Das waren schon Inspirationen, aber da ging es mehr um die Thematik und weniger um den Ton. Ich wollte ja einen Roman schreiben und keinen Erfahrungsbericht. Relativ spät habe ich dann „Krankheit als Metapher“ von Susan Sontag gelesen, und von ihr habe ich ja auch ein Zitat meinem Roman vorangestellt. Ich wollte die Geschichte nicht als diesen klassischen Kampf erzählen, sondern eine andere Form dafür finden.
Für dich ist es vermutlich sehr anstrengend und unangenehm, weil du ständig nach dem eigenen Erfahrungshorizont gefragt wirst.
Stefan Hornbach: Das war schon bei dem Theaterstück so, und ehrlich gesagt war ich damals ziemlich genervt. Ich habe dann oft gesagt: Egal, was ich jetzt antworte, es ändert nichts an diesem Text. Ich habe da oft patzig geantwortet, und mit dem Roman will ich jetzt Wege finden, angemessener zu reagieren. Es ist gar kein Geheimnis, dass ich selbst auch mal krank war. Trotzdem ist für mich wirklich ganz wichtig, dass das ein Roman ist. Ich finde es schade, wenn plötzlich vor allem geschaut wird, wo Parallelen, wo Unterschiede und wo bewusste Verrückungen sind. Ich habe mich ja ganz bewusst dazu entschieden, diese Geschichte zu konstruieren, Figuren und Handlung zu erfinden.
Hinter diesem Interesse steckt vermutlich nicht nur Sensationslust, sondern es geht auch um die Beurteilung, ob du auf diese Art und Weise über das Thema schreiben darfst.
Stefan Hornbach: Das ist tatsächlich das einzige Argument, das ich noch nachvollziehen kann. Ich würde sagen: Jeder, der sich für das Thema interessiert und Lust hat, sich damit auseinander zu setzen, darf natürlich unabhängig von der eigenen Erfahrung darüber schreiben. Meine Expertise bei diesem Thema war im Schreibprozess nicht wichtiger als meine Vorstellungskraft oder meine Fantasie. Klar, im besten Fall befruchtet sich das gegenseitig. Man kann aus einer Erfahrung schöpfen, und dann wird daraus Literatur. Ich selbst hätte mich wohl nie getraut, über dieses Thema zu schreiben, wenn ich nicht dieses Wissen gehabt hätte. Aber ich schreibe schon, seit ich 17 bin, und auch ohne meine Erfahrung mit dieser Krankheit hätte ich ziemlich sicher irgendwann in meinem Leben versucht, einen Roman zu schreiben.