„Steglitz“ von Inès Bayard
In „Steglitz“ kontrastiert Inès Bayard auf grandiose Weise einen sachlichen Erzählton mit einer zunehmend zerfasernden Handlung.
In „Steglitz“ gibt Inès Bayard keine konkrete Erklärung, was das Trauma ihrer Protagonistin verursacht hat.
Mit ihrem zweiten Roman „Steglitz“ zielt Inès Bayard auf die Frustration der Lesenden und zelebriert eine Atmosphäre der Haltlosigkeit.
Berlin ist arm, aber sexy – in Stadtteilen wie Steglitz aber auch schon mal reich, aber eintönig. Doch genau so will es Leni Müller haben: Sie hat sich an der Seite ihres Mannes Ivan, einem desinteressierten Architekten, ein möglichst ereignisarmes Leben geschaffen, das aus wenig mehr besteht als einem täglichen Einkauf. Eine Begegnung mit Kommissar Ziegler, der angeblich nur eine Routinebefragung durchführen will, offenbart eine fundamentale Verunsicherung in ihr: Warum erkennt sie ihre eigene Mutter, ihren eigenen Bruder nicht? Warum hat sie kaum Erinnerungen an ihre Kindheit? Was will Ziegler wirklich von ihr? Dann kehrt Ivan nicht von einer Geschäftsreise zurück und lässt Leni ausrichten, dass sie ausziehen soll …
Inès Bayard kontrastiert einen sachlichen Erzählton mit einer zunehmend zerfasernden Handlung. Warten wir anfangs noch auf eine konkrete Erklärung, was genau Lenis Trauma verursacht hat, nimmt die Desorientierung nur immer weiter zu, bis die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Realität und Traum wegbrechen. Doch genau auf diese Frustration zielt Bayard mit ihrem zweiten Roman ab: Eine Lösung des Rätsels würde die Atmosphäre der Haltlosigkeit zerstören, die sie kompromisslos aufrechterhält.
Mit „Steglitz“ hat es Inès Bayard auf unsere Liste der besten Bücher im November 2023 geschafft.