Dunkle Zeitenwende: „Der Tempel“ von Stephen Spender
„Der Tempel“ von Stephen Spender ist ein homoerotischer Coming-of-age-Roman, der die unbeschwerte deutsche Jugend zwischen 1929 und 1932 abbildet.
Angesichts der weltpolitischen Lage ist es mehr als angemessen, dass dieser Ende der 80er mithilfe von Tagebuchaufzeichnungen vollendete Roman des Briten Stephen Spender (1909-1995) genau jetzt wiederveröffentlicht wird. In „Der Tempel“ erzählt er von zwei Deutschlandaufenthalten des prüden Engländers Paul Schoner in den Jahren 1929 und 1932: Der junge Oxford-Absolvent und angehende Dichter ist fasziniert von der Freizügigkeit in den Schwimmbädern und Nachtbars, und er folgt dem Fotografen Joachim Lenz, der die unbeschwerte deutsche Jugend in seinen Bildern festhält. So ist „Der Tempel“ ein homoerotischer Coming-of-Age-Roman, der das Begehren tiefenpsychologisch ausleuchtet und in fiktionalisierter Form auch Persönlichkeiten wie Christopher Isherwood und W.H. Auden auftreten lässt. Vor allem aber ist in dem Text die dunkle Zeitenwende nachfühlbar: Während Antisemitismus, Homophobie und autoritärer Geist schon 1929 anklingen, werden sie 1932 zu einer ganz konkreten Bedrohung.