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TV-Tipp: „Amour fou“ – Kleists Suizid als Romcom

Amour fou
(Foto: ZDF/ORF/Stadtkino Filmverleih)

Der historisch verbriefte Doppelsuizid Heinrich von Kleists und Henriette Vogels dient Jessica Hausner als Vorlage für eine schwarze, postmoderne Komödie. Unser Filmtipp

Jessica Hausner ist die große Mystikerin des jungen österreichischen Kinos. In „Hotel“ (2004) stürzte Franziska Weisz in den Horror dunkler Wälder, in „Lourdes“ (2009) verstrickte sich Sylvie Testud im katholischen Wunderglauben. In „Amour fou“ bricht jetzt die Liebe aus, und zwar in ihrer radikal überhöhten Form: Anfang des 19. Jahrhunderts ist Heinrich von Kleist einerseits erfolgreicher Schriftsteller, andererseits in hochtourigem Romantizismus angeekelt von der Gefühllosigkeit seiner Mitmenschen und wünscht sich den Tod – nein, eigentlich die große Liebe. Also sucht er jemanden, der aus Liebe gemeinsam mit ihm sterben möchte. Er findet: Henriette Vogel, unbefriedigte Mutter und Ehefrau, die zudem todkrank scheint.

Hausner legt die (historisch verbriefte) Geschichte als romantische Komödie im Frühbiedermeier an, als Liebesgetändel zweier Menschen, die nicht zueinander passen und nach diversen Irritationen doch noch zum, äh, Höhepunkt kommen. Die Haltung ist sanft ironisch, die Ausstattung theaterhaft abstrakt, die Schauspieler atemberaubend gut – Christian Friedel gibt Kleist mit jugendlich-unversöhnlicher Weltverachtung, die fürs Kino noch zu entdeckende Theaterschauspielerin Birte Schnöink ist als Henriette ein in Watte gepacktes Püppchen. Aber auch Stephan Grossmann als Henriettes Ehemann, Sandra Hüller als Kleists Cousine und vor allem Peter Jordan als jovialer Durchblicker machen „Amour fou“ zum Schauspielerfest.

Und wem das nicht reicht, der kann Hausners bislang zugänglichsten Film auch politisch lesen. Die von Kleist bemängelte Erschütterungslosigkeit der Seele wird nämlich konterkariert von radikalen Erschütterungen, die jenseits des Liebespathos die Gesellschaft durchziehen: Französische Revolutionsideen machen sich breit in Preußen, plötzlich redet niemand mehr von Liebe, plötzlich redet man von liberté, égalité, fraternité, und wie elegant Hausner diesen Themensprung absolviert, beweist, auf welchem diskursiven Niveau sich dieser Film befindet.

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