„Der Tanzende“ von Victor Jestin: Wo Worte keine Rolle spielen
Auch mit „Der Tanzende“ macht Victor Jestin das Unbehagen fühlbar, dass wir alle mitunter an mit Fröhlichkeit assoziierten Orten spüren.
„Der Tanzende“ von Victor Jestin ist unsere Buchempfehlung der Woche
Der 28-jährige Franzose Victor Jestin sucht die Extreme und entwirft in seinen Romanen bedrückende Psychogramme vermeintlicher Außenseiter. Mit seinem gefeierten Debüt „Hitze“ aus dem Jahr 2020 portraitiert er den 17-jährigen Leónard, der auf einem Campingplatz den Selbstmord eines Gleichaltrigen beobachtet, ohne ihn davon abzuhalten. Léonard vergräbt die Leiche, er versucht, den Alltag nach den für solche Ferienorte üblichen Normen fortzusetzen – und es ist dieses ungeheuerliche Verhalten seines Protagonisten, mit dem Jestin das Unbehagen fühlbar macht, dass wir alle mitunter an mit Fröhlichkeit assoziierten Orten spüren.
Ganz ähnlich funktioniert jetzt auch sein zweiter Roman: Dem wortkargen Arthur fallen zwischenmenschliche Kontakte schwer, und in Gruppen fühlt er sich unwohl. Erst auf der Tanzfläche eines Clubs findet er einen Freiraum, wo Worte, Vertraulichkeiten und Humor keine Rolle spielen.
Wenn in „Der Tanzende“ von Victor Jestin die Lichter des Klubs angehen, reicht es immer nur für One-Night-Stands oder kurze Affären
Doch Arthur bleibt hängen: Er richtet sich in einem langweiligen Job ein, um jede Nacht in der Kleinstadtdisko verbringen zu können – doch gehen die Lichter des Klubs an, reicht es immer nur für One-Night-Stands oder kurze Affären. Jestin begleitet seinen Antihelden über mehrere Jahrzehnte ins La Plage – und wenn wir am Ende mit Arthur weinen, geht es auch um unseren eigenen unerfüllten Sehnsüchte.
Mit „Der Tanzende“ hat es Victor Jestin auf unsere Liste der besten Bücher im April 2023 geschafft.