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Kummer im Osten

Buchcover „Kummer im Westen“ von Alexander Kühne

„Kummer im Westen“ funktioniert als Coming-of-Age-Roman – aber gelingt Alexander Kühne auch ein treffendes Bild der Nachwendezeit?

Der Titel ist etwas irreführend, denn tatsächlich verbringt Anton Kummer nur das erste Viertel des Romans in Westdeutschland. Länger braucht er nicht, um zu kapieren, dass er sich vom Mauerfall zu viel versprochen hat: Er, der in der DDR-Provinz ein cooler Rebell war, kann mit den cooleren Berlinern nicht mithalten. Also flieht er aus Berlin zurück ins spießige Heimatdorf Düsterbusch, dem Schauplatz des Vorgängers „Düsterbusch City Lights“. Schade, denn Antons Erfahrungen in Westberlin, die Haltlosigkeit, die Fauxpas, die Anfeindungen der Wessis bieten eine aufschlussreiche Perspektive, von der man auch als 90s-Kid ahnt, dass sie 1989 keineswegs eine Ausnahme gewesen sind.

Stattdessen geht es allzu bald vor allem um die spezifischen Verwicklungen in Antons Leben: das Schicksal seines alten Klubs „Helden des Fortschritts“, den ewigen Streit mit seinem Vater, die Beziehung zu seinem neuen Schwarm Irina. Die manchmal skurrilen, manchmal traurigen Auswirkungen des Mauerfalls auf Düsterbusch geraten da schnell mal in den Hintergrund. Der Dorfdisko fühlt Anton sich entwachsen, ohne wirklich eine Idee zu haben, was er stattdessen machen will. Auch eine Reise ins ferne und exotische Minden, um einen Job als Plattenverkäufer zu ergattern, verläuft nur mäßig erfolgreich. Alexander Kühne verarbeitet in Anton Kummer seine eigenen Erlebnisse, und so überrascht es nicht, dass er dessen Innenleben mit Witz und Empathie zum Leben erwecken kann. Allerdings funktionieren autobiografische Bücher besser, je erzählenswerter die eigene Geschichte ist. Als Fortschreibung von Antons Geschichte und als unsentimentaler Coming-of-Age-Roman ist „Kummer im Westen“ durchaus lesenswert. Ob sich bei der Lektüre aber ein sonderlich treffendes Bild der Nachwendezeit zusammensetzt, können nur Leute beantworten, die dabei gewesen sind. Eigentlich gehört Alexander Kühne dazu.

Alexander Kühne hat es mit „Kummer im Westen“ auf unsere Liste der besten Bücher im November geschafft.

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