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„The Shards“ von Bret Easton Ellis: Das späte Meisterwerk

Buchcover „The Shards“ von Bret Easton Ellis

Bret Easton Ellis will einen autobiografischen Text schreiben, setzt aber nur Elemente aus „Unter Null“ und „American Psycho“ neu auf – und legt dennoch sein Meisterwerk vor.

Nach 13 Jahren veröffentlicht Bret Easton Ellis mit „The Shards“ endlich einen neuen Roman

Ganz am Ende des Romans folgt die Auflösung: „Dies ist ein fiktionales Werk. Ereignisse und Vorfälle entspringen der Vorstellungskraft des Autors. Abgesehen vom Autor selbst ist jede Ähnlichkeit mit Lebenden oder Verstorbenen größtenteils zufällig und nicht real.“ Das sah im Vorwort noch ganz anders aus, denn da versichert der 58-jährige Autor, er habe fast 40 Jahre gebraucht, um über die traumatischen Erlebnisse aus dem Herbst 1981 schreiben zu können. Überhaupt hatte Bret Easton Ellis das Buch auch schon während der Pandemie als ein strikt autobiografisches Memoir in seinem Podcast vorgelesen.

So wird „The Shards“ aus der Sicht des 17-jährigen Bret Ellis erzählt, der in L.A. die renommierte Buckley Prep School besucht und nebenher bereits an einem Roman namens „Unter Null“ arbeitet. Drogen, Sex, superreiche, vernachlässigte und abgestumpfte Kids: Tatsächlich liest sich der Alltag von Teenager Bret wie eine Variation seines 1985 veröffentlichten Erfolgsdebüts „Unter Null“. Als Autobiografie ist „The Shards“ also durchaus glaubhaft – wäre da nicht der Trawler, ein Serienkiller, der Jugendliche bestialisch abschlachtet.

Natürlich ist Bret Easton Ellis nie zu trauen. Womöglich hat er „The Shards“ ursprünglich wirklich als Memoir geplant, denn immer wieder gibt es Momente, in denen sein 17-jähriges Roman-Ich mit sich ringen muss, um die Posen durchzuhalten. Es sind die Auswirkungen eines Versteckspiels, die ihn mitunter zum fragilen, fast schon zarten Erzähler werden lassen: Bret steht auf Jungs, hat aber mit Debbie eine Alibifreundin, um seinen Spitzenplatz in der Buckley-Hierarchie nicht zu gefährden. Als der gutaussehende und extrem charismatische Robert Mallory an die Schule wechselt, fühlt Bret sich magisch von ihm angezogen – und hat zugleich das Gefühl, dass dieser ein düsteres Geheimnis verbirgt. Ist er womöglich der Serienkiller, der auch Brets heimliche Affäre Matt Kellner getötet hat?

So spannend der Trawler-Plot und so vermeintlich zeitlos die Abgestumpftheit als Lebensgefühl: Es sind die kleinen Risse an der Oberfläche, die „The Shards“ zum bisherigen Meisterwerk von Bret Easton Ellis machen. Ob die nun autobiografisch sind – oder auch nicht.

Bret Easton Ellis taucht auch in „Panikherz“ von Benjamin von Stuckrad-Barre auf.

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